Infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion wurden rund 25 Millionen russischsprachiger Menschen
in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu Minderheiten. Die größten russischsprachigen Gemeinden
befanden sich 1991 in Estland Kazachstan und Lettland. Die Rußländische Föderation (RF)
beanspruchte 1991 eine Anwaltschaft für diese Menschen die häufig der Möglichkeit beraubt
waren die Staatsbürgerschaft ihres Heimatlandes zu erlangen und am politischen Leben
teilzunehmen. Die vorliegende Studie untersucht am Beispiel Lettlands die Glaubwürdigkeit
dieses Anwaltsanspruchs. Vor dem Hintergrund der rußländischen Außenpolitik zwischen 1991 und
2002 werden die lettische Staatsbürgerschaftspolitik und die rußländische Anwaltspolitik
beschrieben. Die Außenpolitik Rußlands durchlief drei Phasen die als Folge nationaler Diskurse
nachgezeichnet werden. Von kooperativer Politik zu Beginn des Jahrzehnts über den Versuch
neoimperialer Durchdringung des postsowjetischen Auslandes betreibt die RF seit der
Jahrtausendwende eine besonnene Großmachtpolitik. Die lettische Staatsbürgerschaftspolitik
zeigt über den Untersuchungszeitraum hinweg ebenfalls Veränderungen: zu Beginn des Jahrzehnts
wurde der russischsprachigen Minderheit die Naturalisierung verweigert eine restriktive
Regelung ging einem Gesetz voran das heute praktisch jedem Einwohner Lettlands die Bewerbung
um die Staatsbürgerschaft ermöglicht. Die Anwaltspolitik Rußlands nahm hingegen keinen
stringenten Weg. Wohlkalkulierte Machtpolitik hilflose Polemik und Desinteresse lösten
einander ab. Das Urteil fällt vorsichtig aber eindeutig aus: die Aufrichtigkeit des
rußländischen Anwaltsanspruchs ist zweifelhaft. Wenig spricht für die Annahme Rußland habe
stets dem Interesse der angeblich Schutzbedürftigen dienen wollen. Vielmehr läßt sich aufgrund
der hiesigen Befunde behaupten: Moskau hat sie lediglich als geeignetes Vehikel zur
Durchsetzung anderer außenpolitischer Interessen benutzt.