Zahlreiche Publikationen zur Zeitgeschichte streiften in den letzten Jahren das Phänomen des
Anlernens von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in deutschen Rüstungsbetrieben während des
Zweiten Weltkriegs. Die Einordnung und Bewertung dieser innerbetrieblichen Maßnahmen war in der
Forschung jedoch stets von Unsicherheit geprägt. War das Anlernen eine Initiative weniger
Betriebe oder doch ein Instrument der Kriegswirtschaft? Erstmals liefert Ralf Bierod Beispiele
aus Rüstungsbetrieben für umfangreiche Programme zum Anlernen. Dabei wird deutlich dass bis
zur Berufung von Albert Speer und Fritz Sauckel ein Handlungsspielraum in dieser Frage bestand.
Von Sommer 1942 an ordneten die Arbeitsämter jedoch das Anlernen gegenüber allen Betrieben an
und gewannen damit Kontrolle über die Unternehmen. Das vorliegende Buch rückt erstmals die
Rolle der Arbeitsämter in der Anlernfrage in den Mittelpunkt und schließt damit eine
wesentliche Forschungslücke. Das Anlernen entwickelte sich zum zentralen Instrument der
Arbeitsämter zur Heranbildung eines universell verfügbaren Facharbeiterpools. Die Betriebe
sollten Fachkräfte ausbilden die dann von den Arbeitsämtern jederzeit in andere Werke versetzt
werden konnten. Dies führte zu Konflikten mit den Betrieben die nicht verstanden dass sie
über die von ihnen geschulten Ausländer nicht dauerhaft verfügen durften. Manche Betriebe
verweigerten deshalb das Anlernen. Andere Unternehmen sahen in den von ihnen geschulten
Ausländern dagegen Mitarbeiter und wollten diese nicht mehr der Verfügungsgewalt des
Arbeitsamtes überlassen. Jedoch führte das Anlernen nicht zu besseren Lebensbedingungen und
schützte die ausländischen Arbeitskräfte in vielen Betrieben nicht vor Gewalt und Tod am
Arbeitsplatz.