Die Bezeichnung romantisch und die Antithese klassisch-romantisch stellen Annäherungswerte dar
die seit langem in Gebrauch sind. Der Philosoph weist sie feierlich vor die Tür und treibt sie
mit unfehlbarer Logik aus sie aber dringen heimlich und leise durch das Fenster wieder ein und
sind immer gegenwärtig: täuschend bedrängend aber unentbehrlich. Der Literarhistoriker bemüht
sich ihnen Gestalt Rang und Unverrückbarkeit zu geben doch am Ende seiner mühevollen
Konstruktion muss er feststellen daß er Schatten als feste Körper behandelt hat. Das Zitat des
italienischen Kunsthistorikers und Literaturwissenschaftlers Mario Praz das die
Standard-Begriffe der deutschen Literaturwissenschaft romantisch und klassisch problematisiert
hatte die Hamburger Goethe-Gesellschaft dem Programm des 24. Klassik-Seminars vorangestellt. In
vier Vorträgen wurde erkennbar dass die klassische' Epocheneinteilung - Aufklärung Klassik
Romantik - den Blick auf die europäische Dimension der Literatur verstellt. Prof. Dr. Stefan
Matuschek sieht die Romantik nicht als eine deutsche Epoche sondern als europäisches Phänomen
und als Fortschritt im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Revolution von 1789 der
enorme Zuwachs und buchhändlerische Erfolg der Romanliteratur und die Nationalisierung der
Literatur lösen nach Matuschek tiefgreifende literaturgeschichtliche Veränderungen aus. Das
Avantgardekonzept der modernen Literatur - Friedrich Schlegel Goethe als Frühromantiker'
Manzoni - bewirke dass wir Romantik als zweiten Impuls der europäischen Moderne verstehen
können. Prof. Dr. Thomas Wortmann plädierte in seinem Vortrag dafür dass Eichendorff nicht
unter Trivialverdacht gestellt werden dürfe: Eichendorff stelle der fortschreitenden
transzendentalen Obdachlosigkeit in seinen Gedichten das Christentum als Ordnungsfaktor
gegenüber. Zugleich aber werden in seinen Gedichten oft Idylle und Angst unmittelbar
miteinander verbunden und wie Wortmann zeigte Brüche in Ordnungen eingezogen. Dr. Helmut Hühn
stellte in seinem Vortrag zunächst die antike Auffassung der Nacht als Tochter des Chaos dar.
Um 1750-1800 werde dagegen eine veränderte Wahrnehmung der Nacht erkennbar: Hatte die
Aufklärung der Dunkelheit den Kampf angesagt galt die Nacht als Zeitraum von Gefährdungen so
gilt jetzt das eigene Sehen mit den Augen der Nacht (Novalis). Vor dem Hintergrund der jüngsten
Entwicklungen der künstlichen Intelligenz erhielten die Ausführungen von Frau Prof. Dr. Claudia
Liebrand über E.T.A. Hoffmanns Nachtstück Der Sandmann eine besondere Aktualität: Die
Ununterscheidbarkeit von Mensch und Automat die Problematik des Künstlers der sich seine
eigenen Figuren schafft und damit in die Natur eingreift zeigt die verderblichen Kräfte die
die Kategorien verschwimmen lässt. Aus dem Vorwort von Ragnhild Flechsig