Die Briefe einer Peruanerin sind in ihrer Zeit ein Bestseller gewesen. In 41 fiktiven Briefen
die eine entführte Inka-Prinzessin aus Frankreich an den Geliebten zu Hause schreibt hält
Françoise de Grafigny dem Ancien Régime den Spiegel vor. Sie entwickelt dabei eine weibliche
Lebensutopie die von gegenseitiger Anerkennunggeprägt ist. Fast 40 Ausgaben und zahlreiche
Übersetzungen erschienen in den Jahren zwischen der Erstveröffentlichung 1747 und 1835. Dann
geriet das Werk weitgehend in Vergessenheit. Françoise de Grafigny hat in diesem Briefroman
zahlreiche Themen der Aufklärung auf originelle Weise aufgegriffen. Zilia die natürliche Wilde
aus Peru kommt in die zivilisierte aber sittlich zweifelhafte Pariser Gesellschaft und in
dem Maße wie sie mit den Lebensverhältnissen vertraut wird kritisiert sie Klerus Kirche die
Kluft zwischen Arm und Reich vor allem aber die vorherrschende Doppelmoral. Eine wesentliche
Quelle des Übels erkennt sie in der Erziehung die Rollenmuster reproduziert. Sie selbst die
eine doppelte Entfremdung als exotische Frau in der patriarchalischen Gesellschaft erlebt
steht dabei für eine idealisierte Gegenwelt. Der Kunstgriff die junge Unbefangene zunächst als
in der Fremde vereinsamtes Wesen zu schildern die durch den allmählichen Spracherwerb ihre
Ansichten immer differenzierter ausdrücken kann macht aus diesem Band einen packenden
Entwicklungsroman mit einem frühaufklärerischen Erziehungskonzept. An dessen Ende hat die
Protagonistin einen Weg gefunden auch als Frau ein selbstbestimmtes Leben zu führen.