"... Aber mich wieder einmal zu verlieben würde nichts schaden. Es ist langweilig ohne eine
starke Liebe." Cechov an A. S. Suvorin 18. Oktober 1892. In einem Theaterstück sagt Nina im
1. Akt der Möwe müsse "unbedingt Liebe vorkommen." Das tut sie auch. Cechov Autor der
schönsten Liebesszenen auf dem Theater der Weltliteratur schätzt sie dem Gewicht nach auf
"fünf Pud". Doch ist diese Liebe nie eine erwiderte geschweige denn erfüllte sie ist schon
allein durch das Arrangement der Lebensumstände vergeblich von Anfang an und zum Scheitern
verurteilt sie zerschellt am Leben - sei es an den unterschiedlich verteilten Prädispositionen
sei es schlicht am Moment der verstreichenden Zeit. So sind auch die Erzählungen Cechovs die
explizit von der Liebe handeln nie Liebesgeschichten im sentimentalen Sinn. Kein Autor hat wie
Cechov dem Lüge und Kitsch verhaßt waren das Aufwallen der Gefühle - und deren Entladung -
mit solcher Diskretion beschrieben kein Autor hat aber wie er zugleich auch die Skepsis
gegenüber diesen Gefühlen und damit die Angst der Liebenden und Geliebten wie die Angst vor
dem Erkalten des Gefühls vor dem Verlassenwerden die Angst vor der Preisgabe des Eigensten
Innersten mit solch diskreter Nüchternheit benannt. Eine ängstliche Besorgnis klingt noch in
der Dame mit dem Hündchen der vielleicht schönsten Liebesgeschichte der Weltliteratur durch
da zwei verheiratete sehr erwachsene von der Ehe enttäuschte Menschen die einander zu lieben
meinen erkennen: "Es schien als bräuchte es nurmehr kurze Zeit - und die Lösung würde
gefunden und dann begönne ein neues schönes Leben und beiden war klar daß es bis zum Ende
noch sehr-sehr weit wäre und daß das Komplizierteste und Schwierigste eben erst begonnen
hätte."