Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert. Der Satz stammt zwar
aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und geht auf den irischen Schriftseller Oscar Wilde
(1854-1900) zurück. Er charakterisiert aber nur zu gut die heutigen Menschen vor den Regalen
der Supermärkte und Discounter bei der Suche nach Sonderangeboten. In kaum einer Produktgruppe
dürfte die Diskrepanz zwischen dem Wert einer Sache bzw. den Werten für die sie steht und dem
Preis für den sie angeboten und verkauft wird größer sein als bei Lebensmitteln. Erschwerend
kommt hinzu dass sich Vieles auch gar nicht in Geld umrechnen lässt: der ästhetische Wert
einer bäuerlichen Kulturlandschaft das Wohl der Tiere die Qualität der Arbeit. Was nicht
heißt dass man sich nicht um Annäherungen an die wahren Verhältnisse und um faire Preise
bemühen sollte. Preis Werte Lebensmittel - dieser meist disharmonische Dreiklang bildet den
diesjährigen Themenschwerpunkt des Kritischen Agrarberichts. 13 der insgesamt 48 Beiträge sind
ihm gewidmet: Sie analysieren und bewerten die meist unsichtbaren externen Kosten der
Lebensmittelproduktion die auf Kosten der Natur der Allgemeinheit oder zukünftiger
Generationen gehen weisen auf die methodischen Schwierigkeiten hin Wertschöpfungen angemessen
in Preise zu übersetzen und Kosten zu internalisieren zeigen die Grenzen marktwirtschaftlicher
Prozesse der Preisbildung auf und verweisen auf notwendige ordnungsrechtliche Vorgaben und
Rahmensetzungen gehen aber auch auf die Verantwortung der Konsument:innen für faire Preise ein
und berichten von Projekten wo es gelungen ist durch Solidarität mit den landwirtschaftlichen
Produzent:innen wirtschaftliche Wertschöpfungsketten in zwischenmenschliche
Wertschätzungsketten zu überführen. Kurz vor Abschluss der Arbeiten an diesem Agrarbericht
wurde die neue Bundesregierung vereidigt. In ihrem Koalitionsvertrag heißt es: Mehr Fortschritt
wagen. Die Notwendigkeit eines tiefgreifenden Umbaus des Agrarsystems der auch den sozialen
und ökonomischen Interessen der Bäuerinnen und Bauern gerecht wird und gleichzeitig den Schutz
der Tiere und der natürlichen Lebensgrundlagen in den Fokus rückt - dieses existenzielle Thema
rückt immer erkennbarer ins Zentrum der Politik. Um diesen Prozess weiterhin
konstruktiv-kritisch zu begleiten finden sich erstmals mit diesem Kritischen Agrarbericht in
den Jahresrückblicken (Entwicklungen & Trends) eines jeden Kapitels Kernforderungen an die neue
Bundesregierung 50 insgesamt: umfangreicher und detaillierter als alles was man im
Koalitionsvertrag an Zielvorgaben der Politik finden kann.