Partnerschaften in denen die Beziehung ständig thematisiert und pausenlos psychologisiert wird
sind erfahrungsgemäß die schlechtesten. Dabei ist Reflexivität nicht grundsätzlich schlecht.
Doch wird sie in unserer postmodernen Gesellschaft maßlos übertrieben. Eine uferlose
Reflexivkultur ist entstanden. Das Ergebnis sind überdrehte Zeitgenossen die mit ihrem
ständigen Psychologisieren und Problematisieren nicht nur nervtötend sind sondern auch
wichtige Entscheidungen blockieren. Ob im privaten Umfeld oder in der Politik: Eigene
Befindlichkeit geht vor Gemeinwohl Subjektives sticht Tatsachen Wohlfühl-Diktat schränkt
individuelle Freiheit ein. Burkhard Voß Arzt für Neurologie und Psychiatrie schildert in
essayistischer Form wie systematisch eine ganze Gesellschaft erst durchpsychologisiert und
dann psychopathologisiert wird. Den Nährboden für diese ungesunde Entwicklung sieht er
historisch bereitet durch Psychoanalyse postmoderne Philosophie sowie die
Gender-Mainstreaming-Ideologie. Leitend sind dabei die Mythen der Reflexivkultur wie etwa Alle
Menschen sind gleich Wir müssen achtsam sein oder Wir müssen wertschätzend miteinander
umgehen. Aber auch Maximen wie Burnout ist eine ernstzunehmende Krankheit Psychische
Erkrankungen nehmen zu oder Trauern braucht psychologische Unterstützung werden entlarvt. Unter
Reflexivkultur versteht Voß die Überhöhung und kultische Verehrung des reflexiven Denkens das
die Aufmerksamkeit von der Umwelt auf das eigene Selbst lenkt. Im Übermaß auf
selbstverständliche Lebensprozesse angewandt kann das reflexive Bewusstsein zersetzend wirken.
Im wahrsten Sinn des Wortes sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Das Natürliche und
Selbstverständliche wird zu Grabe getragen. Künstliche Probleme sprießen hervor. Im Extrem
steht die Reflexivkultur selbst Psychoterror in nichts nach. Denn den Bürgern werden
gebetsmühlenartig Partialsichtweisen aufgedrängt die als herrschende Meinung ausgegeben werden
aber einer kritischen Überprüfung nicht standhalten - eine reale Gefahr für Demokratie und
Freiheit. Voß ruft uns deshalb zu: Schluss mit der Therapiegesellschaft! Und nehmt Euch selbst
nicht mehr so wahnsinnig wichtig. Denn eine Gesellschaft in der sich jeder dauersensibel seine
Privatwirklichkeit zurechtzimmert und immer größere Gruppen nicht mehr miteinander reden können
ist in einer Sackgasse gelandet. Jenseits der Reflexivkultur wird es wieder um Projekte und
Ideen gehen und nicht darum wer was wann gesagt und wie gemeint hat. Zielgruppe: Kritische
Menschen die nicht dem Zeitgeist hinterherhecheln und sich zudem für Politik Kultur
Psychologie und Medizin interessieren.