Im übrigen rügen mich die Leute nicht allein der Gedichte wegen sondern auch dafür daß ich zu
wenig idealistisch und tendenziös bin. Wenn ich aber so scheints mir die Tendenz an den
Haaren herbeiziehe so werden es alle hören wie ihr unglückliches Haar knistern wird. Und wenn
sie es will so wird sie selbst zu mir kommen und ich werde sie dann nicht mehr vertreiben. So
schrieb Lesja Ukrajinka 1892 in einem Brief an ihren Onkel Mychajlo Drahomanov. Überzeugt von
der Freiheit der Poesie und des Dichters schuf sie in ihrer Kassandra eine klarsichtige und
zutreffende Deutung der geistigen Verhältnisse und der Verwirrung im russischen Imperium
(vielleicht auch im österreichischen) vor der Revolution (so Hans Rothe in seinem Nachwort).
Das Drama wird hier im ukrainischen Original und erstmals in der kongenialen Nachdichtung von
Irena Katschaniuk-Spiech in deutscher Sprache vorgelegt.