Ein gelebter und konstant gepflegter Brauch ist immer abhängig von dem Gemeinschaftssinn. Der
Kölner spricht dann gerne vom ganze Schmölzche oder von der Famillich. Auch in der Domstadt
gliedern christliche und profane Bräuche das Jahr. Man spricht dann von Glaubens- und
Brauchtumsfeiern und die Grenze dazwischen ist oft fließend. Was aber ist das
Alleinstellungsmerkmal der Kölner im Gebrauch der eigenen und übernommenen Bräuche? Es ist der
Mentalitätsfaktor in Köln geprägt vom durchgängigen Prinzip der rheinischen Lebensfreude und
Toleranz. Ausdruck dieser Toleranz ist unter anderem die Selbstironie angesiedelt zwischen
Büdchen bis Größenwahn und Et hät noch immer god gegange. So hat der Kölner selbst erkannt
dass er in seinem Überschwang gerne über das Ziel hinausschießt und deshalb Brauchgrenzen
aufgezeigt bekommen muss. Das zeigen schon die Kölner Redewendungen: Beim ersten Mal haben wir
es ausprobiert beim zweiten Mal ist es schon Tradition und beim dritten Mal Brauchtum! Dieser
kölsche Freifahrtschein legitimiert in seiner Beliebigkeit und Unbekümmertheit zunächst einmal
zu allem und nichts. Aber zugleich ist dieser burschikose Umgang auch der Garant dafür dass
die in Köln gelebten Bräuche - fast spielerisch - im Prozess der Integration weitergelebt
wurden und werden. Mit seinem neuen Buch ruft Autor Michael Euler-Schmidt die in Köln gelebten
Bräuche in Erinnerung und versteht es als Aufforderung diese innerhalb der Brauchgrenzen
übers Jahr mit multikultureller kölscher Mentalität zu pflegen und zu feiern. Vielleicht ist
der Kölnische Planet gerade wegen seiner Vielfalt Eigenart und Widersprüche dafür ein
beispielhafter Ort.