Die Studie nimmt die Prothese als ein höchst unterschiedliche Wissensgebiete tangierendes
Phänomen in den Blick der es schließlich erlaubt von ihr als Insignie einer lädierten Moderne
zu sprechen. Ausgehend vom amerikanischen Bürgerkrieg dessen hohe Opferzahlen historisch der
Entwicklung und [noch manufakturellen] Prothesenproduktion einen enormen Schub verlieh
unterzieht die Autorin die Prothetik nicht nur einer sozio- und technikhistorischen Lektüre
sondern auch einer Analyse der damit verbundenen Bildpolitiken die schwankten zwischen
Verbergen [der Versehrung] und Vorzeigen [ihrer mechanischen Qualitäten]. Die Prothetik des
späten 19. Jahrhunderts wandelt sich zu einer phantasmatischen Technik. Prothesen wurden zu
Waren die zwischen Mode und Technik changierten und ein großes Bedeutungsspektrum auf sich
versammelten. Als Sozialtechnik sollten sie den entstehenden Konsumkapitalismus stabilisieren
als Bilder regten sie Technofetischismus an [Jules Vernes holzbein- und armprothesenbewehrte
Mondfahrer] und im frühen Film erhielten sie die Qualität des Unheimlichen. Mit dem Ersten
Weltkrieg und seiner industriellen Destruktionswucht wurde nicht nur die Prothetik selbst
industrialisiert sondern zum epistemologischen politischen und ästhetischen Unruheherd.
Konzipiert von Medizin Technik und Politik als bio- und bildpolitische Maßnahme sollte sie
die Kriegsbeschädigten wieder dienst- bzw. arbeitsfähig machen gleichzeitig das Verlorene
verbergen. Spätestens mit Kriegsende jedoch figurierte die Prothese als Allegorie einer
zerbrochenen Moderne: angesichts der Massenversehrung kippte die Wunde vom Mal des Heroischen
ins Stigma. Zwei Detailstudien zu Dadaismus und Brecht zeigen wie im Zuge dieser Entwicklung
prothetische Figuren in ästhetische Verfahren [Montage Collage] einwanderten. Schließlich
rückt die Autorin die diagnostische Verwendung prothetischer Figuren in den Fokus und zeigt
mit welchen Akzenten und Zielen die Prothesen-Metaphorik in spekulativen und theoretischen
Texten verwendet wurde: Gleich ob Freuds 'Prothesengott' Plessners 'Prothesen-Proteus' oder in
Adornos Schrecken über Harold Russels kalte Klaue - all diese Figur[ation]en sind Varianten
einer 'prothetischen Anthropologie' die sich durch Gestalttheorie Anthropologie und Biologie
bis in die folgenreiche Medientheorie McLuhans fortpflanzten.