EditorialIm Jahr 2014 hat Hanni Rützler im Food Report des Zukunftsinstituts den ursprünglich
angelsächsischen Begriff »Flexitarier« in die deutschsprachige Diskussion um das »richtige«
Essen eingeführt. Ihre Idee war die Frontstellung unterschiedlicher Ernährungsstile zu
befrieden und sie erwartete dass es zu einer offeneren und entspannteren Ernährungsdiskussion
kommen würde. Ob das so eingetreten ist dürfte durchaus umstritten sein. Sicherlich ist
seither die Landkarte unterschiedlicher Ernährungspraktiken vielfältiger geworden. Und
unbestreitbar ist die Selbstbezeichnung »Flexitarier« ausgezeichnet geeignet sich von
barbarischen Fleischessern abzugrenzen: Sie klingt weitaus besser als »Omnivore« dürfte aber
gern als Feigenblatt dafür genommen werden das eigene Ernährungsverhalten zu
kaschieren.Bemerkenswert ist das differenzierte vegetarische und vor allem dynamisch wachsende
vegane Angebot im Lebensmitteleinzelhandel bis hin zu den Discountern. In der
Lebensmittelindustrie weckt das zunehmende Interesse von Kunden Ertragserwartungen nicht
zuletzt wegen attraktiver Margen. Der hohe Anteil offensichtlicher Ersatzprodukte irritiert -
von Hafermilch bis zum Burger aus Erbsenproteinen. Das erweckt den Eindruck als läge das
Interesse bei einer alternativen Ernährungsorientierung ausschließlich auf der Rohstoffebene
einer gleichbleibend industriellen Lebensmittelproduktion. Überzeugender wäre es wenn aus
neuen Proteinquellen originäre Produkte entwickelt würden. Stattdessen gibt es Fleisch- und
Wurstimitate zuhauf. Am Beispiel glutenfreier Brote wurde das Verfahren in jüngster
Vergangenheit paradigmatisch exerziert. Aber nicht wenige mussten nach einem Einkauf irritiert
feststellen dass die besten glutenfreien Brote selbst hinter ihre industriellen Pendants mit
Gluten zurückfallen. Trotzdem gingen die Produktionszahlen durch die Decke. Scheuten die
meisten Hersteller dennoch ihre Produktionskapazitäten zu erweitern.In dieser Gemengelage
bleibt meist zu wenig Raum klare Positionen und Informationen konstruktiv auszutauschen. Das
jedoch ist Grundlage für jede aufgeklärte Meinungsbildung. Einfache Ergebnisse oder Lösungen
scheinen per se ausgeschlossen wie meist in unserer differenzierten Welt. Das darf keine
Ausrede sein um Dialoge zu verweigern. Im Gegenteil. Mit der so häufig beschworenen
kulturellen Teilhabe sind mehr als nur Kino- und Theaterbesuche gemeint.Im Journal Culinaire
No. 32 »Vegetarisch und vegan« versammeln sich Beiträge die sich aus zahlreichen und
gelegentlich überraschenden Perspektiven dem Thema zuwenden. Während der Lektüre mag sich im
einen Fall Zustimmung im anderen hingegen Widerstand regen. In der Zusammenschau so der
Eindruck des Herausgebers entspannt sich manche konventionelle Frontstellung und gibt den
Blick frei für Fragestellungen die von den üblichen Schlagworten verdeckt werden und dringend
gemeinsam zu verhandeln wären. Das ist eine gute Gelegenheit Sie zu bitten uns an Ihren
Überlegungen und Einschätzungen teilhaben zu lassen (redaktion@journal-culinaire.de)!