Der Straßburger Mediziner und Naturhistoriker Johann (Jean) Hermann (1738 -
1800)veröffentlichte 1783 ein neuartiges Ordnungssystem der Tiere das die Fülle der
damalsbekannten Arten und Gruppen in einer Tabula affinitatum animalium einer ganz
außergewöhnlichenKarte abgestufter Ähnlichkeiten neu gliederte und netzförmig anordnete.Das in
der Ebene eines Druckes zweidimensional angelegte Tableau mit differenzierten sich
überlagernden Verbindungslinien kann dreidimensional begriffen werden undbricht konsequent mit
der im 18. Jahrhundert verbreiteten einreihigen Anordnung allerNaturerscheinungen auf einer
Stufenleiter. Die grafische Visualisierung des Systems derTiere in Form eines Netzes griff die
ersten Netzwerk-Vorstellungen von Vitaliano Donati(1750) auf und erweiterte den von
Georges-Louis Leclerc de Buffon und anderen vorgegebenenHorizont einer sich sphärisch in alle
Richtungen ausbreitenden Verwandtschaft.In seinem umfangreichen Kommentar zur Tabula vereinte
Hermann zwei sich wechselseitigbeeinflussende Bereiche: seine induktive Forschertätigkeit am
Objekt als vergleichenderAnatom Zoologe und eifriger Naturaliensammler mit seiner deduktiv
bestimmten gedanklichen Analyse die sich vor dem Hintergrund des
allgegenwärtigenKontinuitätsgedankens Leibniz'scher Prägung und der Figura sacra des 18.
Jahrhunderts der linearen Stufenleiter entwickelte. Er war nach Aristoteles der Erste der
dieBeziehungen der einzelnen Merkmale zueinander ins Auge fasste und damit das vonGeorges
Cuvier entdeckte Korrelationsgesetz der Vergleichenden Anatomie antizipierte.Der Übersetzer und
Herausgeber des vorliegenden Buches hat es sich zur Aufgabe gemacht erstmals die singuläre
Primärquelle aus dem Lateinischen zu übersetzen und ausführlichzu kommentieren. Die von Hermann
berücksichtigten annähernd 2.000 Taxawurden in einem umfangreichen Anhang gemäß der heutigen
Nomenklatur aufgelistetund soweit möglich mit ihren deutschen Namen versehen. Die Übertragung
bietet nichtnur einen reichen Fundus an taxonomischen Daten sondern durch die zahlreichen
Annotationenund Literaturhinweise auch eine gute Übersicht zur Affinitas-Problematik speziell
der Wirbeltiere im 18. Jahrhundert. Darüber hinaus liegt dem Band ein optischeindrucksvoller
Reprint der Tabula im Originalformat bei.Mit der Übersetzung wird schließlich ein Naturforscher
aus dem Elsass gewürdigt dermit seinen Forschungen und seiner Korrespondenz wie kaum ein
anderer ein Brückenbildnerim französisch-deutschen Kulturraum war.