Seit mehr als 100 Jahren steht das Laufen im Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses. Die
Entwicklung des Wissensgutes um die zentrale Bewegungsfertigkeit des Menschen neben dem Gehen
lässt sich an der Entwicklung der Messtechnik beschreiben. So wurden neben der Chronofotografie
Filmanalysen durchgeführt die erste Erkenntnisse über das Bewegungsverhalten des Menschen beim
Laufen erbrachten. Neben der Weiterentwicklung der kinematischen Verfahren ermöglichte die
Dynamografie die Messung der Bodenreaktionskräfte. Zu den rein biomechanisch orientierten
Verfahren trat die Entwicklung von sportmedizinischen Analyseverfahren hinzu die grundlegende
Erkenntnisse über die Energiebereitstellung beim Laufen lieferten. Grundlagen für die nach
außen in Erscheinung tretenden Bewegungsfertigkeiten des Menschen wie das Laufen Gehen und
Springen sind jedoch die neuronalen Steuerungs- und Regelungsvorgänge. Die Ansteuerung sowohl
des einzelnen Muskels als auch von dessen Antagonisten unterliegt der Innervation durch das
Nervensystem. Diese auf den ersten Blick einseitig gerichtete Abhängigkeit des Muskels vom
Nervensystem ist zwar grundsätzlich richtig beschneidet jedoch die modulierenden
Interventionen der Rezeptoren im tendomuskulären System erheblich. Ständige Rückmeldungen der
Muskelspindeln und der Golgi-Sehnen-Organe wirken aus der Peripherie via efferente Bahnen neben
anderen neuronalen Einflüssen modulierend auf den Motoneuronenpool ein. Zusätzlich unterliegt
die Sensibilität der Rezeptoren einer parallelen Steuerung aus dem Motoneuronenpool. Seit
einigen Jahren werden elektromyografische Untersuchungsverfahren und Auswerteroutinen
eingesetzt die einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis der komplexen
Bewegungsleistung Laufen beim Menschen liefern konnten. Im Mittelpunkt der Betrachtungen
standen dabei die Extensorenmuskeln. An ihnen konnte die Bedeutung und Funktion segmentaler
Dehnungsreflexe für die menschliche Motorik nachgewiesen werden. Dies gilt sowohl für die
Standregulation als auch für das Gehen Laufen und Springen. In den o. g. Untersuchungen
beschränkte man sich überwiegend auf die Plantarflexoren und -extensoren. Erst in neueren
Untersuchungen wurden die Knieextensorenmuskeln mit einbezogen. Für die weitaus komplexeren
Laufbewegungen erscheint nach funktionellen Überlegungen eine Einbeziehung der Hüftbeuge- und
-streckmuskulatur notwendig. Zentrales Anliegen bisheriger Laufstudien war die Erfassung von
biomechanischen und physiologischen Einflussgrößen und die Quantifizierung ihrer Veränderungen
wenn die Bewegungsgeschwindigkeit verändert wird. Ebenso wurden die Auswirkungen der o. g.
Einflussgrößen bei Laufbewegungen gegen unterschiedliche Steigungen untersucht. Trotz
umfangreicher Erkenntnisse die hierbei für das Verständnis von Laufbewegungen gewonnen wurden
gibt es bisher nur sehr wenige und uneinheitliche Aussagen über die Regulationsmechanismen bei
ermüdenden Läufen. Die komplexen neuromuskulären Steuerungsmechanismen aufzuzeigen ist
Gegenstand des vorliegenden Buches.