In der Zeit vom 7. bis zum 9. Juni 2012 führten Prof. Dr. Endre Kiss und Dr. Klaus Wellner ein
Symposion über Nietzsche in Münstertal durch. In dem Kloster St. Trudpert stellt das dortige
Gästehaus Tagungsräume zur Verfügung. Die Veranstalter knüpften damit an die erfolgreichen
philosophischen Symposien von 2009 und 2010 an. Wie bisher hatte man sich die Aufgabe gestellt
dass jeder Teilnehmer ein ihm wichtiges Thema bei Nietzsche so behandeln sollte dass
zusätzlich zu einer werkimmanenten Interpretation auch ein Blick auf die weiteren Entwicklungen
dieses Bereiches in Wissenschaft und Philosophie geworfen wird oder aber durch Nietzsches
Philosophieren angeregte Fragen weiterverfolgt werden. Auch dieses Mal werden zu Aufsätzen
erweiterte Beiträge in einem Sammelband publiziert. Ein kurzer Hinweis auf die Absichten der
Autoren soll die Neigung von Lesern zur Lektüre beflügeln. Klaus Wellner setzt sich mit Der
ewigen Wiederkunft des Gleichen mit einem Blick auf die Thesen der modernen Physik auseinander.
Zunächst werden die verschiedenen Formen erörtert in denen Nietzsche diese Lehre in seinem
Werk präsentiert. Es wird ausgeführt dass im Unterschied zu meist vertreten Meinungen in der
Zeit Nietzsches die führenden Physiker die grundsätzliche Möglichkeit einer Wiederkehr des
Universums nicht ausgeschlossen haben. Wie sich das Problem in der modernen Astrophysik und
Quantenphysik darstellt wird berichtet. Angesichts der Paradoxien der modernen Quanten- und
Astrophysik wirkt die Wiederkunftslehre Nietzsches geradezu harmlos. Zum Schluss wird die damit
völlig veränderte Situation in Bezug auf unsere Haltung zum eigenen Dasein reflektiert. Endre
Kiss befasst sich mit Vita femina - Rekonstruktion von Friedrich Nietzsches Liebesphilosophie.
Liebe ist ein besonders geeigneter Themenkreis für die Anwendung der Errungenschaften der
philosophischen Revolution durch Kant. Erotik und Erkenntnis bilden einen gemeinsamen Bereich.
Die auf die Wahrheit-Weib-Metapher gegründete Liebesphilosophie entzaubert die Liebe durch
dieselbe Metapher erschafft sie aber auch die Möglichkeit die Liebe wieder mit einem neuen
Zauber zu versehen. Typen der Liebesphilosophie aus Nietzsches ganzem Werk werden aufgesucht.
Die Identität von Weib und Wahrheit gilt auch als Symbol einer möglichen und schon utopischen
Einheit von Natur und modernster Zivilisation. Cristiana Senigaglia widmet sich dem Thema:
Entgrenzung der Kulturen und Kultur der Entgrenzung bei Nietzsche. Der Begriff Entgrenzung
gehört nicht zu Nietzsches gebräuchlichen Ausdrücken: Er schildert vielmehr ein in der heutigen
Gesellschaft auftretendes Phänomen das mit der Globalisierung verbunden ist und die
Verflechtung der Kulturen sowie der ökonomischen und gesellschaftlichen Prozesse und sogar der
Künste und Ausdrucksformen beschreibt. Mit weitblickendem Auge hat Nietzsche die Richtung
dieser Entwicklung aufgespürt. Parallel dazu ist der Mensch auch mit einer Erweiterung der
Horizonte konfrontiert die sich durch die Entwicklung der Verhältnisse und Lebensstile in der
modernen Zeit ergibt. Tilo Klaiber nimmt sich die Arbeit eines der herausragenden Vertreters
angelsächsischer Moralphilosophie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Bernard Williams
unter dem Thema: Innere Notwendigkeit statt Moral? Bernard Williams domestizierter
Nietzscheanismus vor. Williams ist in vielen Zügen stark von Nietzsche inspiriert. Unter
Heranziehung eines genealogischen Verfahrens wird eine Umwertung der Werte der Wahrheit sowie
der Tugend der Wahrhaftigkeit vorgenommen. Bei einem Autor der sich dem Lager der analytischen
Philosophie zurechnete mag eine Affinität zu Nietzsche wundernehmen. Damit wird eine um
Radikalismen und Outriertheiten verkürzte dabei gleichwohl affirmative Fortführung von
Nietzsches Ideen vorgelegt. Christian Niemeyer setzt sich mit Ecce homo unter dem Thema: Ein
Monument wird demontiert: Nietzsches Ecce Homo in kritischer Sicht auseinander. Nietzsches
Autobiographie ist einer der anspruchsvollsten Texte der Weltliteratur und stand früh unter
Pathologieverdacht. Tatsächlich mahnt es zur Vorsicht dass Nietzsches Psychologie der
Philosophen auch auf ihn selbst Anwendung erfahren könne. Andreas-Salomé lag mit diesem
Vorgehen im Prinzip nicht falsch und kontrastiert mit der Erklärung Nietzsches wonach die
Frage nach dem Verstanden- oder Nicht-verstanden-Werden seiner Schriften durchaus noch nicht an
der Zeit sei was aber auch für Verwirrung gesorgt hat. Peter André Bloch vergleicht Nietzsche
und Dürrenmatt unter: Nietzsches und Dürrenmatts Konzeption des Neuen Menschen. Konstruktion
und Auflösung des unabhängig denkenden und verantwortlich handelnden Individuums. Jeder Autor
hat seine Anschauungen und seine Wirkungsgeschichte. Es ist interessant sie in diesem Rahmen
bezüglich des Neuen Menschentums zu vergleichen. Was heißt Würde Wahrheit
Selbstverwirklichung? Welches sind ihre Perspektiven und Visionen ihre entsprechenden
Darstellungsmittel und Gestaltungsformen