Im November 2018 beging man in Polen den 100. Jahrestag der Staats(neu)gründung wobei vor
allem die patriotische Freude über die Schaffung eines eigenen Nationalstaates im Vordergrund
stand. Weniger thematisiert wurden die rechtlichen konfessionellen politischen
wirtschaftlichen und sozialen Probleme die bei der Zusammenführung dreier sehr unterschiedlich
verfasster und entwickelter Teilungsgebiete auftraten. Diese Probleme und Interessenkonflikte
spiegelten sich nicht nur in Institutionen wider sondern hatten auch konkrete teils
dramatische und dauerhafte Auswirkungen auf die Biografien der beteiligten Akteure:
Staatsbürgerschaften mussten gewählt Wohnsitze und Arbeitsplätze gewechselt
Vermögensverhältnisse reguliert und das wirtschaftliche Überleben gesichert werden - dies alles
in einer Situation von Revolution sozialen Konflikten Grenzstreitigkeiten bewaffneten
Auseinandersetzungen und sich erst langsam herausbildenden staatlichen Institutionen.Mit dem
Beginn der NS-Diktatur 1933 und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 kam es dann erneut zu
dramatischen Veränderungen im Leben vieler Protagonisten dieses Bandes der aus der
Jahrestagung 2018 der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen hervorgegangen ist.
Er nimmt anhand von deutsch-polnisch-jüdischen Schicksalen aus allen drei Teilungsgebieten
diese komplexe Gemengelage näher in den Blick. Dabei werden in 13 Beiträgen nicht die
Biografien bekannter Persönlichkeiten betrachtet sondern vielmehr versucht die Lebensläufe
von weniger prominenten Frauen und Männern zu rekonstruieren und zu analysieren. Fast alle
Protagonisten hatten sich in dieser Region neu zu verorten mussten auf Brüche und Ambivalenzen
in ihren Biografien Antworten finden und ihre Identität neu definieren - in einigen Fällen
gleich mehrfach. Auch die Frage inwieweit sich auf Grund nur unzureichend überlieferter
Quellen überhaupt Verlässliches über diese Biografien aussagen lässt wird Teil der
Untersuchung sein.