Johannes V. Jensen (1873-1950) schloss mit seinem dritten Band Himmerlandsgeschichten 1910 die
große Geschichts- und Geschichtenschreibung seiner Heimatregion ab. »Neue
Himmerlandsgeschichten« versammelt 18 Erzählungen und Essays in denen Johannes V. Jensen
diesmal auch als Sammler der Geschichten in Erscheinung tritt. Wie ein Ethnologe reflektiert er
über den Wandel der Zeit und die gesellschaftlichen Entwicklungen sammelt Volkslieder und
mythische Erzählungen. Die technische Moderne bricht ins ländliche Himmerland ein und drängt
mit ihren Zerstörungen und auch Versprechungen die vertrauten Sagen und Traditionen. Die neue
Eisenbahnlinie verändert nicht nur den Alltag sondern auch den Blick auf die Welt außerhalb
der unmittelbaren Umgebung. Das führt zu Emigrationswellen und zur Erweiterung der Welt um das
verheißungsvolle Land jenseits des Ozeans das nun erreichbar geworden ist.Die Risse in der
Gesellschaft und in den einzelnen Menschen die durch den Eintritt in die Moderne entstehen
kennt niemand so genau wie Jensen. Zweifel an der Erzählbarkeit äußern sich in essayistischen
Formen in eingeschobenen Erläuterungen und Reflexionen. Und doch zelebriert Jensen in
grandiosen Geschichten über Figuren wie Jørgine Schleifstein-Ajes oder den Pferdehändler
Kresten die menschliche Würde der unverwüstlich eigenwilligen Himmerländer. Ulrich Sonnenberg
spürt in seiner präzisen Übersetzung der Beschreibungskunst Jensens nach und verschafft den
fast urtümlichen Erzählungen einen auch für unsere Ohren zeitlosen aber doch betörenden Klang.