Dieser Sammelband enthält Vorträge Referate Vorlesungen und Essays aus den Jahren 1989 bis
2019. Sie entstanden aus ganz unterschiedlichen Anlässen für ganz unterschiedliche Zuhörer und
Leserinnen. Aber gemeinsam ist ihnen allen die Erfahrung einer Niederlage: das Ende eines
gesellschaftlichen Systems das den Begriff von Sozialität neu zu definieren und auch zu
realisieren begonnen hatte. Dieser evolutionsgeschichtliche Sprung mißlang (in Europa) denn
seine Protagonisten wurden 1989 überwältigt und der Ursachen hierfür sind viele. Nun aber
schrieb sich die Überwältigung fort und heute will sie grenzenlos werden also global und
unumkehrbar.Die in diesem Band gesammelten Texte dieser Jahre widerspiegeln diesen
evolutionären Rückfall wiederum auf ganz unterschiedliche Weise. Aber als Nukleus eines
historischen Prozesses gehört die Einsicht in diese Degression für die Autorin und den Autor zu
einem themenübergreifenden Erkenntniszusammenhang. Die Palette dieser Themen ist vielfältig
wie von Theologinnen und Theologen nicht anders zu erwarten ist denn auch die Bibel ist nicht
nur vielfältig sie ist geradezu lebens- und geschichtsumfassend. Thomas Mann und Bertolt
Brecht wußten das noch. Constanze und Dieter Kraft knüpfen auf ihre Weise an diesen Lebens- und
Geschichtsuniversalismus an. Da braucht kein Thema ausgespart zu werden - Hegel nicht die
Dialektik nicht Peter Hacks nicht. Und natürlich geht es um biblische Topoi um
gesellschaftliche Frauenbilder um das adäquate Verständnis von Utopie und Reformation um
Kirche im Kapitalismus um Macht und Sprache um Ethik und Bildung um Opportunismus und
Standhaftigkeit um Mythos und Ideologie - und sogar Stalin muß da nicht fehlen.Wenn ein
Theologenehepaar so dezidiert zu seinen Einsichten steht und seine Widersprüche formuliert
dann wirkt das heutzutage durchaus provokant. Aber für Constanze und Dieter Kraft ist
Provokation ein notwendiges Wort ein biblisches zudem. Denn provocatio heißt nichts anderes
als herausrufen. Eine Herausrufung aus einem Denken und Tun das unsere alte Welt gefangen hält
und von dieser alten Welt gefangen gehalten wird die sich einer neuen Welt um jeden Preis
verweigert - selbst um den Preis ihres absehbaren Untergangs.