In der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik unterhielten die Gewerkschaften
aufwendige Sozialkassen für ihre Mitglieder. Diese »gewerkschaftseigene Sozialversicherung«
gewährte Millionen von gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
jenseits der staatlichen Sozialversicherung zusätzliche Leistungen bei Arbeitslosigkeit und
Krankheit im Alter oder als Rente. Das Unterstützungswesen entwickelte sich zu einer
finanziellen Hauptaufgabe der Gewerkschaften. Mitunter beliefen sich die Kosten dafür auf mehr
als die Hälfte der gesamten gewerkschaftlichen Jahresausgaben. Heutige Gewerkschaften führen in
Deutschland allenfalls noch Reste dieser Tradition fort. Dabei erzählt das soziale
Unterstützungswesen in der historischen Perspektive viel darüber wie sich das
Selbstverständnis der deutschen Gewerkschaften entwickelt und bis heute verändert hat. Und die
Geschichte zeigt wie mithilfe des Unterstützungswesens »Solidarität« - ein bis heute zentraler
politischer Leitbegriff - damals in den Gewerkschaften institutionell geschult wurde.