Der deutsche Schlager ist nicht besser als er ist. Er ist aber definitiv besser als sein Ruf.
Schlager verstehen heißt die deutsche Geschichte der letzten 150 Jahre zu verstehen. Dieses
Buch ist die neue Bibel für Schlagerliebhaber und die heimliche Nachtlektüre für
Schlagerhasser. Der Schlager war doppelbödig und frivol und nahm keck vorweg was andere sich
noch nicht zu sagen trauten. 'Kulturgeschichten lügen Lieder lügen nicht' postulierte 1922
kein Geringerer als Kurt Tucholsky und meinte damit den Schlager. Dieses Buch wirft
Schlaglichter auf die Kulturgeschichte des Schlagers ist gleichermaßen leidenschaftliches
Plädoyer für wie überzeugtes Manifest gegen den Schlager geizt nicht mit biografischen Details
und Zitaten aus Schlagertexten. Es spielt mit Klischees denn Schlager basieren auf Klischees
und es setzt sich über Klischees hinweg denn auch Schlager setzen sich über Klischees hinweg.
Vor allem aber geht Wolf Kampmann das Wagnis ein den Schlager aus seiner plüschigen
Schmuddelecke herauszuziehen und ihn gleichermaßen in der Hochkultur wie im künstlerischen
Underground zu verorten. Denn anders als sein berühmtester Mentor und Herold Dieter Thomas Heck
war der Schlager oft aufmüpfig subversiv und sogar visionär. Ging Manuelas 'Schuld war nur der
Bossa Nova' der Emanzipationsbewegung voraus? Trug Udo Jürgens mit 'Griechischer Wein' zur
Integration von Gastarbeitern bei? Öffnete Alexandra mit 'Mein Freund der Baum' das Bewusstsein
für die Öko-Frage? War Gunter Gabriel mit 'Hey Boss ich brauch mehr Geld' ein Gewerkschaftler?
Die ambivalente Beziehung des Schlagers zum Nationalsozialismus seine Geschichte in der DDR
die Parallelen und Unterschiede zu Chanson und Country Music das Ende des klassischen
Schlagers in der Neuen Deutschen Welle - das alles und noch viel mehr setzt sich zu einem
aberwitzigen Panoptikum zusammen. Lange geschmäht muss der Schlager aus heutiger Sicht als
spannendes Kapitel deutscher und europäischer Kulturgeschichte neu definiert werden.