Lydia Rabinowitsch-Kempner (1871-1935) war keine Ärztin und zählte dennoch zu den führenden
Wissenschaftlerinnen in der Medizin ihrer Zeit. Nach einem Studium in der Schweiz arbeitete die
junge Bakteriologin bei Robert Koch am Institut für Infektionskrankheiten in Berlin und lehrte
am Woman's Medical College in Pennsylvania. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Erforschung der
Tuberkulose. Dank ihrer Ergebnisse wurden Verfahren zur Versorgung der Bevölkerung mit
keimfreier Milch und hygienisch einwandfreien Milchprodukten entwickelt. Für ihre Verdienste
erhielt sie 1912 als erste Frau in Berlin den Professorentitel. Sie engagierte sich in der
Frauenbewegung und wurde Ehrenmitglied im Bund Deutscher Ärztinnen. An der Charité gelang ihr
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Mit dem Arzt Walter Kempner hatte sie drei Kinder.
Doch sowohl ihr Mann als auch ihre Tochter starben ausgerechnet an jener Krankheit die sie
erforschte. Sie selbst wurde 1934 - ein Jahr vor ihrem Tod - aufgrund ihrer jüdischen Herkunft
aus dem Krankenhaus Moabit entlassen dessen bakteriologisches Labor sie seit 1920 geleitet
hatte.