Am 13. Oktober 1944 wurde auf Anordnung der Gestapo Kurt Neumaier zusammen mit weiteren ca. 150
Münchner Halbjuden in das Zwangsarbeitslager Tiefenort in Thüringen deportiert wo die
Organisation Todt in mächtigen Salzstollen die unterirdische Rüstungsproduktion ausbauen
sollte. Auch Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge mussten dort unter Tage arbeiten.Der Recherche
zum Lager Tiefenort steht eine außerordentliche Quelle zur Verfügung: 1937 bis 1945 schrieb der
Onkel des Autors Kurt Neumaier regelmäßig Briefe an seine ebenfalls halbjüdische Frau Gretl
die zeitgleich bei den Münchner Stadtwerken zwangsverpflichtet worden war.Die täglichen Briefe
aus dem Arbeitslager schildern tagebuchähnlich die vorherrschende Gemütsverfassung das
Lagerleben die Arbeitsbedingungen und die Freundschaften der Münchner Häftlinge. Über die
Beschreibung der Lagerhaft hinaus wirft die Korrespondenz ein erstaunliches und beklemmendes
Licht auf das Alltagsleben eines rassistisch Verfolgten in diesen Jahren. Sie ist von
Zensurbefürchtungen Verdrängung vagen Zukunftsängsten aber auch von Alltäglichem Hoffnungen
und der Suche nach Wiedererlangung eines Lebens in Würde geprägt. Ende 1944 eskalierten die
Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes gegenüber den letzten jüdischen Überlebenden in
privilegierten Ehen und ihren Angehörigen. Die wachsende Angst um Mutter und Schwiegervater
prägt die letzten Briefe von Kurt Neumaier.Das OT-Lager Tiefenort und die Deportationen der
Münchner Halbjuden sind heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Nicht nur die
zeitgenössischen Briefe auch einige später aufgezeichnete Erinnerungen weiterer Zwangsarbeiter
in Tiefenort werden vom Autor einbezogen.Im Freundeskreis der ehemaligen Tiefenorter Häftlinge
den der Autor z. T. noch persönlich kennenlernen konnte herrschte Schweigen gegenüber der
Enkel- und Neffengeneration aber auch ein tiefes verborgenes Verständnis untereinander
aufgrund der gemeinsamen Verfolgungsgeschichte.