Der Vater von Mimi Schwartz erblickte dreißig Jahre vor dem Aufkommen der Nationalsozialisten
in einem kleinen deutschen Dorf als Jude das Licht der Welt. "Damals" so erzählte er später
seiner in den USA geborenen Tochter "kamen wir alle miteinander aus". Nach dem Tod ihres
Vaters wollte Mimi Schwartz wissen inwieweit menschlicher Anstand unter Nachbarn während und
nach der NS-Zeit noch Gültigkeit hatte. Sie sprach mit Jüdinnen und Juden aus dem Dorf ihres
Vaters in den USA und in Israel. Sie besuchte den Ort und interviewte christliche Zeitzeugen
die erlebt hatten wie ihre jüdischen Nachbarn ihr Heimatdorf verlassen mussten oder deportiert
wurden. Aus den verschiedenen Aussagen entsteht ein Mosaik das durch immer neue Nuancen
ergänzt wird. Das beharrliche auch die eigenen Vorstellungen bezweifelnde Nachfragen der
Autorin bei ihren Gesprächspartnern und bei sich selbst lässt uns an einer Entwicklung
teilnehmen die nicht abgeschlossen ist. Zehn Jahre nach der amerikanischen
Erstveröffentlichung ihres Buches erhielt Mimi Schwartz einen Brief von Max Sayer aus
Australien. Er berichtete dass er während der NS-Diktatur im Dorf ihres Vaters in einem
katholischen Elternhaus aufgewachsen war. Als Mitglied der Hitlerjugend hatte er die schlimme
Zeit mit den Augen eines Jugendlichen gesehen. Das Buch von Mimi Schwartz war ihm Anlass sein
Erleben neu zu durchdenken. In der neuen Auflage die jetzt auf Deutsch vorliegt verwebt
Schwartz die Erinnerungen Sayers mit ihrem Text und beleuchtet die Geschichte nochmals aus
einem neuen Blickwinkel der unser Verständnis von Anstand und Dämonisierung weiter vertieft.
Angesichts des Wiedererstarkens von Rassismus und Antisemitismus in unserer heutigen Welt
erscheint diese Untersuchung wichtiger denn je.