Mit seinem bahnbrechenden Buch Die jüdischen Evangelien. Die Geschichte des jüdischen Christus
unternimmt der renommierte Talmudgelehrte und Religionssoziologe Daniel Boyarin (University of
California Berkeley) eine Zeitreise zu den gemeinsamen Wurzeln heutiger religiöser Identitäten
des rabbinischen Judentums und des Christentums - wegweisend für den interreligiösen Dialog
die Forschung und interessierte Leser.Ausgehend vom Schlüsseltext Daniel 7 mit seiner doppelten
Gottheit entfaltet Boyarin mittels einer textnahen Auslegung (close reading) die Vorstellung
des menschlichen und göttlichen Menschensohns als messianischen Erwartungshorizont der Juden im
1. Jh. So verkörperte Jesus selbst den erwarteten danielschen Menschensohn als Messias. Aus
midraschischer Auslegung entstand die Jesus-Geschichte das jüdische Evangelium als
Glaubens-Variante innerhalb des Judentums in dem die Vorstellung vom göttlich-menschlichen
Erlöser bereits vorgebildet war die bisher als genuin christlich angesehen wurde. Die
Übertragung des Menschensohn-Titels auf andere Messiasse im 1. Jh. findet sich auch in den
Bilderreden im 1. Henoch und in der Gestalt des Menschen im 4. Esra.Jesus brach nicht mit den
jüdischen Speisevorschriften lebte vielmehr koscher und war ein toratreuer Bewahrer gegenüber
pharisäischen Neuerungen. Zudem versucht Boyarin die Idee eines leidenden Messias zeitlich
bereits in der Danielvision anzusetzen und nicht erst als nachösterliche Erzählung.