Aus dem Büchlein Vita Nuova redet nicht die nach Goethes Urteil oft abschreckende Großheit des
Schöpfers der Divina Commedia zu uns nicht jener ernste Denker und Dichter Dante Alighieri
der unsere Phantasie mit sich führt zu dem ewigen Schmerze der Verdammten in den höllischen
Verließen und durch die Läuterungsstätten der Hoffenden im Fegefeuer hinauf in das lichte
himmlische Reich der Seligen. Hier in diesem Erstlingswerke tritt uns der warmblütige
Florentiner nahe der von Frauenminne und Gottesminne erfüllte jugendliche Minnesänger der uns
von dem neuen Leben sagt das für ihn begann an dem Tage da in seinem Knabenherzen die erste
Liebe erwachte. Wer nicht nur überfliegt was uns hier Dante von seinem Liebesleben offenbart
sondern tiefer in den Sinn seiner oft rätselhaften Worte einzudringen sucht wird nach und nach
bemerken und vielleicht dadurch zum Weiterforschen angeregt werden daß sein Minnebüchlein
ohne eigentlich Unwahres zu berichten alle Erlebnisse in einen geheimnisvoll dunklen Schleier
hüllt. In dem Prosatext der die eingeflochtenen Poesien gleichsam kommentierend umrahmt
verbirgt es fast ebensoviel als es erzählt. Dieses liebenswürdigste Kind der Danteschen Muse
das so heiter und ernst so leidenschaftlich und so übersinnlich so innig gefühlvoll und so
trocken pedantisch zu plaudern weiß versteht auch ganz meisterhaft die Kunst von dem was es
erzählt die Hälfte ungesagt zu lassen Erlebnisse und Erfahrungen des Innenlebens hinter
Allegorien zu verbergen das Verständnis mit Hilfe von Farben- und Zahlensymbolik zu erschweren
oder auch durch Verwendung von erzählerischen Motiven aus der provenzalischen Literatur
irrezuführen. Die das ganze Opus durchziehende Verheimlichung neben anmutiger Rede erinnert an
die Worte die der Dichter einer seiner Kanzonen zum Geleite gab. [...] Der Verlag der
Wissenschaften verlegt historische Literatur bekannter und unbekannter wissenschaftlicher
Autoren. Dem interessierten Leser werden so teilweise längst nicht mehr verlegte Werke wieder
zugängig gemacht. Das vorliegende Buch ist ein unveränderter Nachdruck der deutschsprachigen
Originalausgabe aus dem Jahr 1900.