Jahrhunderte haben sich mit Aufstellung von Kunstgesetzen gequält und selbst die Richtigkeit
der Erkenntnisse förderte kaum die praktische Ästhetik gab nicht den Halt vor schlimmen
Versuchungen nicht den hellen Trieb das Heiligtum zu verehren. Die Gesetze auch die richtig
erkannten halfen nicht. Ließen sie sich in eine knappe allgemeingültige Form fassen so
gehörte zur Schöpfung kein Genie. Sie sind so weitmaschig daß jeder Versuch auf rein
gesetzmäßigem Wege zur Kunstschätzung oder Schöpfung zu gelangen uns stets der Gefahr aussetzt
durch die Maschen zu fallen. Man kann der Kunst nur durch vergleichende Betrachtung persönlich
näher kommen. Wie dieser oder jener das Gesetz erfüllte wie ein anderer auf anderem Wege mit
einem Opfer einer Zutat dem Ziele näher kam und wie dann wieder der Nachfolger das erste mit
dem zweiten zu einem dritten bildete diese Beobachtung übt uns auf die Kunst ein soweit
überhaupt eine Wissenschaft vermag den Sinn des Kunstgenusses zu fördern. Über die Kunst läßt
sich mit Abstraktem wenig sagen. Was nicht Kunst ist erscheint selbstverständlich und doch
haben sich Generationen bei uns und überall darum gezankt. Man hat Helden auf dem Thron
behalten nur weil man sie vor dem Vergleiche schützte und man hat andere der Vergessenheit
der Gegenwart preisgegeben weil man sich sträubte an ihnen die mutige Tat notwendiger
Entwicklung zu erkennen. Unendliche Widersprüche verwirrten die Lage des Kunstfreundes unserer
Zeit. Neben den Zaghaften entstanden Unabhängige die einem Künstler um so lieber folgten je
weniger Beziehungen zu der Kunst der Mitwelt oder der Vergangenheit an ihm bemerkbar waren.
Diese Neuerungsschwärmer die in der Kunst die Entwicklungsgeschichte leugnen sind fast noch
schlimmere Feinde der Ästhetik als die Mißtrauischen. [...] Vorliegender dritter von drei
Bänden über die Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst befasst sich mit den Themen Die Farbe
in der Skulptur Französische Komposition Der neue Rationalismus sowie Suchen neuen Inhalts.
Insgesamt illustriert mit über 640 historischen Abbildungen. Der Verlag der Wissenschaften
verlegt historische Literatur bekannter und unbekannter wissenschaftlicher Autoren. Dem
interessierten Leser werden so teilweise längst nicht mehr verlegte Werke wieder zugängig
gemacht. Dieses Buch ist ein unveränderter Nachdruck der Originalausgabe der vierten Auflage
aus dem Jahr 1924.