Malerei ist für Ernst Ludwig Kirchner ein Akt der Übersetzung. Die als ekstatisch empfundene
Dynamik der Großstadt zeigt sich in Kirchners Bildern wie Potsdamer Platz in einem
skizzenhaften Malstil vor allem aber in einer stark formalen Verdichtung. Die runde
Verkehrsinsel am Potsdamer Platz auf der die hageren Damen posieren sowie die in groben
Strichen angelegten Figuren stehen für die Schemen der Großstadt - es sind nur noch Signale
Zeichen. Kirchner hat im Zusammenhang mit seinen Großstadtbildern von Hieroglyphen als
Ausdruckszeichen gesprochen.Die unmittelbare Ekstase schreibt Kirchner mündet bereits beim
Zeichnen in fertige Hieroglyphen. Die Vielfalt der visuellen Erfahrung wird reduziert auf
Kürzel auf sprechende Details wie Hüte Schuhspitzen Fensterlaibungen Brückenbögen. So
besteht die malerische Welt von Kirchner vor allem aus einer Welt der offenen Skizzen und
Zeichen der nicht immer vollständig lesbaren Hieroglyphen.Die Ausstellung lenkt unter diesem
Fokus den Blick auf die 17 Werke der Sammlung der Nationalgalerie: vom frühen Sitzenden Akt der
Dresdner Brücke-Zeit über die Badenden am Strand (Fehmarn) bis zu den so dicht angelegten
Werken wie Max Liebermann in seinem Atelier im Spätwerk. Kaum ein Museum in Deutschland kann
die Vielfalt im Schaffen von Kirchner so eindrücklich wiedergeben wie die Nationalgalerie mit
ihrem Bestand. Zahlreiche Fotos von Kirchner aber auch Bücher und Zeichnungen ergänzen den
Katalog und verdeutlichen die kulturelle Aufgeladenheit der scheinbar so direkt und unmittelbar
erscheinenden Bildwelten.Gerahmt wird die Ausstellung von zwei zeitgenössischen Arbeiten: die
filmische Arbeit Hidden Conference von Rosa Barba zeigt die Sammlung der Nationalgalerie im
Dämmerlicht des Depots in der alle Konturen sich auflösen die Sammlungsstücke zu Schemen
ihrer selbst zu fast geisterhaften Erscheinungen werden. Rudolf Stingel wiederum hat mit
seiner großen malerischen Arbeit Stafelalp das Zeichenhafte der Fotografie ausgeleuchtet:
obwohl die Malerei ganz auf den alten Kirchner-Fotos basiert verschwimmen die Grenzen von
Geschichte und Gegenwart.Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Ernst Ludwig
Kirchner: Hieroglyphen in der Neuen Galerie im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart -
Berlin vom 23. September 2016 - 26. Februar 2017. Die Ausstellung wurde durch die
Nationalgalerie Staatliche Museen zu Berlin organisiert.