Diese auf 20 Bände angelegte Edition geht auf eine viel beachtete öffentliche Vorlesungsreihe
zurück die Professor Michael Bockemühl Anfang der 1990er Jahren im Saalbau Witten hielt. In
seinen Diavorträgen nimmt der Redner gemäß seinem Credo: Der Künstler ermöglicht was der
Anschauende verwirklicht sein Publikum gleichsam bei der Hand und führt es zu den einzelnen
Kunstwerken hin. Dabei werden weder Spekulationen über ihre möglichen Bedeutungen angestellt
noch abstrakte Theorien über das Sehen geschmiedet vielmehr feiert der Autor ein Fest für das
Auge: Mit Witz und methodischer Konsequenz versteht es der passionierte Wahrnehmungsforscher
die Aufmerksamkeit auf die durch nichts anderes als durch das Kunstwerk eröffneten
Anschauungsmöglichkeiten zu lenken.Die Bände werden herausgegeben von Dr. phil. David Hornemann
v. Laer (Fakultät für Kulturreflexion Studium fundamentale) in Zusammenarbeit mit Birgit
Bockemühl sowie Studierenden an der Universität Witten Herdecke.Band 1 - Die Kunst des 19.
JahrhundertsDer erste Band der unter dem Titel KUNST SEHEN versammelten öffentlichen
Vorlesungen des Kunstwissenschaftlers Michael Bockemühl bildet mit dem Blick auf die Malerei im
ausgehenden 19. Jahrhundert die Ouvertüre der Reihe und formuliert das grundlegende Motiv
seiner Kunstbetrachtung: Das Sehen selbst als einen geistig schöpferischen Prozess erfahrbar zu
machen ist das Potenzial der Kunst. - Der gesteigerte Realismus und Naturalismus in der
Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legt eine Identität von Sehen und Begreifen
nahe: Die Illusionsbildung wird perfektioniert jedes Bild ist ein Fenster in die Welt. Was
aber ist die Wirklichkeit? Ist sie gegeben oder wird sie hervorgebracht? Gerade die scheinbare
Deckungsgleichheit von Gegenstand und Abbild eröffnet die Möglichkeit auf den Prozess der
Hervorbringung von Wirklichkeit in Wahrnehmung und Bewusstsein zu reflektieren: Was ist
wirklich was ist Illusion und wie kann sich der Einzelne innerhalb seiner Erfahrungswelt der
Objektivität des Gegebenen versichern? Sehen wir erst und begreifen dann oder geht Wahrnehmung
auch den umgekehrten Weg? Entlang einzelner Werke von Delacroix Caillebotte Turner und
anderen wird deutlich wie die Relationen von Sehen und Begreifen Wahrnehmung und Wirklichkeit
Erleben und Bewusstsein radikal in Bewegung geraten. Warum finden wir den Geist in den Sinnen
nicht? Wir sehen ihn nicht weil wir selbst beim Sehen tätig sind und diese unsere eigene
Tätigkeit uns normalerweise nicht vor Augen kommt. Die Intentionalität das Unterscheiden das
Zusammenfügen alles was dem Auge und dem Sehprozess Sinn gibt genau diese Leistung muss der
Geist selbst tun.Wenn es ein Mittel gäbe diese geistige Tätigkeit im Sehen vor uns zu bringen
dann könnten wir den Geist mit unseren Augen sehen. Die Kunst ist nun genau dieses Mittel. Sie
birgt nämlich die Möglichkeit das Sehen als eine geistig-sinnliche Tätigkeit fassbar zu
machen. - Michael Bockemühl