In diesem Essay wollen wir uns einem jungen Phänomen widmen das viele Namen hat. Bezeichnungen
wie Post-Wahrheit post-truth und postfaktisches Zeitalter wie auch Krisis der Rationalität
oder Das Ende der Eindeutigkeit (Zygmunt Bauman) sollen helfen der gefühlt neuen Situation zu
begegnen. Die Medien und die politische Rhetorik sind zunehmend von alternativen Fakten bzw.
fake news geprägt das Vertrauen der Adressat*innen geht verloren. Auch viele andere
gesellschaftlichen Bereiche sind von diesem bemerkenswerten Zweifel an der Objektivität und der
Realität der Realität (Luc Boltanski) durchsetzt. Für viele Autor*innen repräsentiert die
Situation der Post-Wahrheit die postmoderne Situation schlechthin. Man bezieht sich dabei
vielfach auf die Werke von Bruno Latour und Zygmunt Bauman oder neuere Studien zu den
Auswirkungen der Virtualität. Aber die post-faktische Haltung die den Fakten und Realitäten
vorwirft per se nur der Willkür und Manipulation zu dienen weist auch bemerkenswerte
Parallelen zu den konstruktivistischen Setzungen in den Sozialwissenschaften auf. Diesen
theoretischen Parallelen soll genauer nachgegangen werden. Auch die wissenschaftsinternen
Debatten um die Objektivität von wissenschaftlichen Tatsachen und die gesellschaftliche Macht
die mit dieser Objektivität verknüpft ist müssen in diesem Zusammenhang näher betrachtet
werden. Nicht zuletzt wird zudem ein historischer Rückblick fruchtbar sein. Dieser zeigt
inwiefern die offensichtlichen oder vorerst nur antizipierten prekären Folgen der Post-Wahrheit
für demokratische Politik bereits etablierte historische Vorgänger haben. So sehr die
postmodernen Wurzeln der Post-Wahrheit antitotalitär gedacht waren so sehr hat dieselbe
Post-Wahrheit paradoxerweise durchaus auch totalitäre Mitbegründer.