Genauigkeit gilt in vielen kulturellen Bereichen - von der wissenschaftlichen Forschung bis zur
Pünktlichkeit eines Zuges - als erstrebenswertes Ideal. Nicht selten werden hierbei präzise
technische Apparaturen ebenso wie organisatorische Kompetenzen und perfektionierte menschliche
Fähigkeiten als Hinweise dafür genannt es handle sich um genaue Verfahren. Doch was macht
diese genauer als andere Prozedere etwa die präzise sprachliche Übertragung einer
Übersetzerin? Woran sind solche Vorstellungen Ideale und Verfahren von Genauigkeit gekoppelt -
und welche Rolle übernimmt hier eigentlich die Imagination?Entgegen der verbreiteten Annahme
einer Gegensätzlichkeit von Imagination und Genauigkeit verhandelt der Sammelband gerade deren
Verschränkungen in Wissenschaften und Künsten. Robert Musil hat dieses Verhältnis auf die Frage
zugespitzt was denn eine genaue Abhandlung über die Ameisensäure am Jüngsten Tag überhaupt
nützen würde - dass gleichzeitig aber auch jeder Vorstellung des Jüngsten Tags zu misstrauen
sei die nicht einmal die Ameisensäure genau erforscht habe. Diese zwei Seiten des Bestrebens
die Welt zu verstehen finden sich wieder in Musils Idee einer phantastischen Genauigkeit.Doch
wie verbindet sich der Fokus auf Fakten und Gewissheiten auf die Etablierung von Gesetzen und
Regeln die überprüfbar und genau sind mit jenem imaginären und phantastischen Teil der
allererst neue Möglichkeitsräume denken lässt? Solchen Transfer- und Konfliktmomenten von
Genauigkeit und Imagination widmen sich die Beiträge des interdisziplinären Sammelbands. Von
den Aufzeichnungsprozessen von Pulskurven über kartografische und statistische
Übertragungsleistungen bis zu künstlerischen Praktiken aus Literatur Malerei und Video Art
wird eine Reihe unterschiedlicher Episoden vorgeschlagen in welchen die Auslotung dieses
Verhältnisses einen Anfang findet.Mit Beiträgen von Lisa Cronjäger Larissa Dätwyler Stephan
Graf Felix Hempe Aurea Klarskov Lucas Knierzinger Li-Chun Lee Judith Sieber und Laura
Valterio.