Die Entwicklung der kognitiven Neurobiologie sehen viele Neurowissenschaftlern als eine
Herausforderung der exakten Wissenschaften an die alten Theorien des Geistes. Von einem neuen
Menschenbild ist die Rede. Da diese kognitivistische Wende sich primär in der Entschlüsselung
der visuellen Wahrnehmung vollzog blieb es nicht aus dass sie schließlich zu einer eigenen
Neuroästhetik der bildenden Kunst führte. Parallel dazu vereinten sich neurologische
Forschungen über die Audition mit kognitivistischen Ansätzen innerhalb der Musiktheorie zu
einer hirnphysiologisch fundierten Musikpsychologie. Die vorliegende Studie beschäftigt sich
kritisch mit den hiermit verbundenen Ansprüchen an eine neue wissenschaftlich begründbare
Ästhetik und zeigt dass Erkenntnisse über die neurologischen Korrelate von bildnerischen oder
musikalischen Tätigkeiten nicht gleichzeitig weiterführende Einsichten über das Wesen der Kunst
ermöglichen. Vielmehr werden diese Korrelate erst dann als biologische Grundlagen der Kunst
fassbar wenn die Koordination der zuständigen neuronalen Elemente ihre »Bindung« auf die
immanenten Strukturanforderungen künstlerischer Kompositionalität bezogen werden kann. Dabei
richtet sich die Kritik des Autors vor allem auf die beiden exponiertesten Vertreter der
Neuroästhetik Semir Zeki und Eric Kandel sowie auf den neurobiologischen Konstruktivismus von
Wolf Singer. Er zeigt dass es sich bei den dort formulierten Theorien der Kunst und des
Geistes um einen halbierten Operationalismus handelt dem er einen unreduzierten
Operationalismus der sinnregulierten Wirklichkeit entgegensetzt. Diesen skizziert er mit Bezug
auf die generative Linguistik von Noam Chomsky die genetische Erkenntnistheorie von Jean
Piaget und den interpretativen Strukturalismus von Ulrich Oevermann. Dabei bringt er auch die
neuartigen autonomieästhetischen Perspektiven dieser Positionen zur Geltung.