Die Studie rekonstruiert den Wandel von Selbstbildung als Form der »Selbstkonstruktion des
Menschen« (Tenorth) im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts. Selbstbildung erweist sich dabei
als mehr als nur ein Seismograph gesellschaftlichen Wandels sie fungiert auch als
dynamisierendes Moment der Individualisierung des Einzelnen. Das vorliegende Buch präsentiert
die Ergebnisse eines qualitativen bildungssoziologisch-erziehungswissenschaftlichen
Langzeitforschungsprojekts. In diesem wurden in den Jahren 1984 und 2009 insgesamt 50
biographisch fokussierte 'Zwillings'interviews mit jeweils einer Person geführt und daraus
empirische Gestalten der Selbstbildung im Theorierahmen von (Anspruchs-)Individualität
(Luhmann) und Solidarität (Hondrich) entwickelt. Emanzipation Karriere und soziales Engagement
erweisen sich als Pole der individuellen Aneignung des gesellschaftlichen Curriculums möglicher
Bildungswelten.Die Studie erschließt einen zeitgeschichtlichen generationen- und
altersübergreifenden Wandel nicht nur von Individualitätsformen sondern der
Individualitätsform selbst. Es zeigen sich deutlichere Konturen eines Übergangs von einer
selbstzentrierten zu einer sozialgeöffneten Individualisierung verbunden mit einer
Wiederthematisierung von Unbedingtheit und Schicksal einer wesentlichen Herausforderung für
die Bildungstheorie. Einer empirisch interessierten Bildung- und Biographieforschung die
Einzelschicksale fokussiert aber zugleich auf gesellschaftliche Zusammenhänge zielt werden
damit theoretisch und zeitdiagnostisch produktive empirische Perspektiven erschlossen. Es wird
u.a. die - Reckwitz' Diagnose einer »Gesellschaft der Singularitäten« modifizierende - These
vertreten dass die Freiheit der Selbstbildung zwischen 1984 und 2009 im Spannungsfeld von
Individualität Solidarität und Schicksal verläuft.