Adornos Diktum nach Auschwitz ein lyrisches Gedicht zu schreiben sei barbarisch ist ebenso
berühmt wie unerledigt. Trotz der heftigen Diskussionen die es ausgelöst hatte scheint sein
Gehalt immer noch nicht befriedigend erfasst. Das liegt auch an Adorno selbst der seine
schwierige Diagnose nie in wünschenswerter Klarheit begründet hat. Das soll in der vorliegenden
Untersuchung von Ferdinand Zehentreiter auf verschiedene Weise geleistet werden. Ausgangspunkt
ist eine neuartige Rekonstruktion von Adornos Kulturbegriff und sein Vergleich mit aktuellen
soziologischen Kulturdiagnosen vor allem denen von Bourdieu und Luc Boltanski. Dem wird die
Diskussion eines Werkbegriffs an die Seite gestellt der Adornos Diktum standhalten kann. Mit
diesem soll auch die politische Qualität der autonomen Kunst gezeigt werden u.a. durch den
Bezug auf die Theorie des Politischen von Chantal Mouffe. Zu diesen theoretischen Ausführungen
treten exemplarische Analysen von Literatur bildender Kunst und Musik (Imre Kertész Christian
Boltanski Luigi Nono) hinzu um daran eine Negative Ästhetik nach Auschwitz zu gewinnen. Bei
alledem geht es darum die unverbrauchte Aktualität von Adornos Diktum geltend zu machen. Nicht
zufällig werden in der aktuell bedrängenden politischen Krisenlage auch wieder fundamentale
Zweifel an dem Sinn und der Berechtigung von Kunst angemeldet. Die Künstlerin Bracha
Lichtenberg Ettinger hat diese Stimmung nach ihrem Austritt aus der Findungskommission zur
Entscheidung über die kuratorische Leitung der nächsten documenta auf den Punkt gebracht: »Was
kann die Kunst in unseren dunklen Zeiten bringen?«