Als Schnittstelle in der Vermittlung zwischen Recht und Wirklichkeit nimmt die Rechtsdogmatik
eine Schlüsselposition ein die bislang in ihrer sozialen Dimension unterschätzt wurde.
Dogmatik ist weit mehr als eine reine Rechtstechnik um zwischen Rechtsnorm und Fall zu
vermitteln. Maie Mörsch weist nach dass sie ein eigenständiger Wissensgenerierungsprozess ist
mit weitreichenden rechtlichen wie faktischen Auswirkungen. Dogmatische
Wissensgenerierungspraktiken - so die leitende These des Buches - finden nicht im luftleeren
Raum statt sondern sind eingebettet in soziale Interaktionszusammenhänge zwischen
verschiedenen Akteuren der Rechtspraxis und Rechtswissenschaft. Diese sozialen Prozesse sind
ihrerseits geprägt von materiellen Rahmenbedingungen. Die in der Dogmatik gespeicherten Rechts-
und Wirklichkeitsannahmen tragen die Spuren ihrer sozialen und materiellen
Entstehungsbedingungen in sich. Dogmatik wirkt für das Recht als 'Inklusionsfilter' der
bestimmt welche Aspekte der Wirklichkeit rechtlich relevant werden und schließlich -
vermittelt über die Rechtspraxis - auch eine verstärkte faktische Relevanz erfahren. Dieser
Verarbeitungs- und Filterprozess der Dogmatik entscheidet welche sozialen Realitäten in
rechtliche Kategorien übersetzt werden und welche nicht. Die Untersuchung macht dementsprechend
nachvollziehbar dass das was rechtlich kategorial erfasst wird auch für die Verwirklichung
spezifischer Interessen verstärkt mobilisiert werden kann. So entstehen Pfadabhängigkeiten in
der Rechtsentwicklung: Bestimmte rechtliche und darüber vermittelt faktische Möglichkeitsräume
verstärken sich asymmetrisch. Maie Mörsch deckt in der vorliegenden Arbeit die bislang
verborgene soziale Dimension der Dogmatik auf und fokussiert dazu auf das Beispiel
Ungleichheit. Hierauf aufbauend arbeitet sie die Mechanismen der 'Inklusion' und
'Abstandsvergrößerung' heraus die sich auch als ungleichheitsrelevant erweisen. Diese
Erkenntnisse über die soziale Praxis der Dogmatik und die ungleichheitsgenerierenden
Mechanismen eröffnen neue Perspektiven für einen reflektierten Umgang mit Dogmatik.