Ungarn in den 1980er-Jahren: Der Balaton oder Plattensee ist ein beliebtes deutsch-deutsches
Urlaubsziel. Hier liegen Ost- und Westdeutsche einträchtig nebeneinander am Strand durch den
Mauerbau getrennte Familien machen gemeinsam Ferien. Es ist ein Ort der gelebten
Wiedervereinigung lange bevor die Mauer fällt. Aber das scheinbare Idyll hat auch
Schattenseiten. Während die Badewanne Ungarns für die Besucher aus der BRD ein billiges
Urlaubsvergnügen ist müssen die DDR-Bürger jede Mark zweimal umdrehen und verpflegen sich
überwiegend aus von zu Hause mitgebrachten Lebensmittelvorräten. Dennoch ist der Balaton für
viele von ihnen ein Sehnsuchtsziel ein erster Schritt in Richtung Freiheit - von der ihre
ungarischen Gastgeber gleichermaßen träumen. Noémi Kiss fängt in ihren Novellen die besondere
Stimmung dieser Zeit vor dem totalen Umbruch ein lässt ihre angespannte abwartende Stille
geradezu greifbar werden. Auf fast beiläufige Art gewährt sie tiefe Einblicke in die
sozialistische Welt jener Jahre an diesem Fleck Ungarns und immer vermischt sich die Spannung
des Entdeckens mit dem aufwühlenden Gefühl der Beklemmung. Ist die oberflächliche Sommerfreude
auch noch so ausgelassen das Wasser schwemmt immer wieder entglittene Schicksale Verbrechen
Geheimnisse und Lügen ans Ufer. Oder warum heißt es der alte Botlik sei beim Schwimmen
ertrunken obwohl jeder weiß dass kein Anwohner des Plattensees freiwillig in der
August-Mittagshitze in den See steigen würde?