Heute sind Subjektivität Gefühle und moralische Empfindungen zentrale Fragestellungen für die
Soziologie. Man nimmt an dass es durch die Auseinandersetzung mit der Subjektivität gelingen
könne das Geheimnis der Sozialität des Menschen zu ergründen. Psychische Leiden wie
Depressionen werden in diesem Zusammenhang als gesellschaftliche Pathologien verstanden.
Soziologen und Sozialphilosophen verstehen sie entweder als Symptome einer Lockerung sozialer
Bindungen als Folge der Ich-Emanzipation der 60er und 70er Jahre oder des Kapitalismus der
das Ideal der Emanzipation individueller Subjektivität in neue Zwänge und Ausbeutungsformen
verkehrten. Der französische Psychiater und Soziologe Alain Ehrenberg ist jedoch der Ansicht
dass Depression nicht durch Kapitalismus Emanzipation oder dergleichen verursacht wird noch
das sie ein Symptom gesellschaftlicher Rückzugstendenzen darstellt. Sie gründet auf den
Konflikt und Widerspruch eines Prozesses welche auf der Aufwertung von Autonomie einhergeht.
Vor vier Jahrzehnten basierte die Gesellschaft auf Gehorsam Konformität und Verboten. Heute
gelten die Autonomie Initiative und Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen von uns. Während
nach Freud die Neurose ein Krankheitsbild der Schuld war scheint die Depression die Krankheit
der Verantwortlichkeit und Unzulänglichkeit zu sein. Heute dreht sich die Frage nicht mehr um
Darf ich das? sondern um Kann ich das?.