Wissenschaftliche Erkenntnisse können eine Weltsensation darstellen ohne gleich ein neues
Weltbild zu installieren. Als der Pariser Physiker Léon Foucault 1851 die Erdrotation mit einem
Pendel nachweisen konnte musste niemand mehr von der Richtigkeit des Heliozentrismus überzeugt
werden. Dennoch gilt das Experiment bis heute als eines der berühmtesten in der Geschichte der
Wissenschaften. Hat also Foucaults Pendel immer noch mit uns zu tun? In seinem neuen mit
vielen bislang unbekannten Bildern versehenen Buch geht Michael Hagner dieser brisanten Frage
nach und zeigt wie eng der Pendelversuch mit technischen Präzisionsbasteleien ideologischen
Konflikten dem Aufstieg der Populärkultur sowie der Verbreitung von Bildmedien verbunden ist.
Dabei behandelt Hagner kosmologische Fragen ebenso wie politische und ästhetische Vorstellungen
über die öffentliche Inszenierung von Wissenschaft. Der Glaube an den zivilisatorischen
Fortschritt durch die Wissenschaften prägte die öffentliche Geschichte des Pendels bis Umberto
Eco es in einem postmodernen Welttheater wiederverzauberte. Damit wurde die Bühne frei für die
Vermutung bei Foucaults Pendel könnte es sich auch um ein Kunstwerk handeln. In einer
überraschenden Wende deutet Hagner die Installation Zwei graue Doppelspiegel für ein Pendel
die Gerhard Richter 2018 in der Dominikanerkirche in Münster eingerichtet hat als Vorschlag
künstlerische und wissenschaftliche Reflektion auf paradoxe Weise miteinander in Korrespondenz
treten zu lassen.