Der Westen protzt. Der Westen stellt sich in Frage. Einerseits EU-Schulterschluss im Angesicht
des Ukrainekrieges. Selbstzweifel Selbstkritik und Selbstdementierung auf der anderen Seite.
Zur europäisch-nordamerikanisch-westlichen Praxis gehört eben nicht nur die Erfindung der
Demokratie und der Menschenrechte nicht nur die Idee der Gleichheit der Menschen und die Idee
pluralistischer Ordnungen der Gewaltenteilung und des vernünftigen Interessenausgleichs
sondern auch seine radikale Dementierung. Kolonialismus Faschismus und Nationalsozialismus
Imperialismus und Rassismus sind ohne Zweifel keine nicht-westlichen keine nicht-modernen
Erscheinungen. Sie gehören konstitutiv zur westlichen Moderne dazu - aber sie sind in diesem
dialektischen Sinne auch Dementierungen dieser westlichen Moderne selbst. Dieses Kursbuch
stellt sich dieser Ambivalenz auf vielfältigste Weise. Daniel-Pascal Zorn widmet sich dem
Universalismus des Westens. Der Westen sei nur mit sich selbst beschäftigt. Philosophisch tue
er so als beginne das Denken (Griechenlands) bei sich selbst statt zu sehen wie sehr dieses
Denken bereits an anderes anschließt. In Indien China oder Afrika. Die Historikerin Franziska
Davies zeigt die wechselvolle Geschichte der Ukraine dessen Zugehörigkeiten stets mit
Randlagen in geostrategischen Großlagen zu tun hatten. Besonders für die deutsche Perspektive
zeigt sie wie stark diese von der historisch durchaus verständlichen Bemühung um Aussöhnung
mit Russland geprägt ist - dabei aber an der Komplexität der regionalen Verflechtungen
scheitert. Im Gespräch mit Ines Geipel beklagt sie ein merkwürdiges Desinteresse an der
Aufarbeitung der Gewaltgeschichte der DDR sie spricht von der Härtesubstanz des Ostens der
den neuen Menschen gewaltsam herstellen wollte vor allem durch Disziplinierung der Körper. Der
Westen zeigt nur Desinteresse was auch dazu führe dass sich gerade im Osten Deutschlands eine
Renaissance autoritärer rechter politischer Formen etabliere. Für die Intermezzi wurde diesmal
die Frage gestellt: Was ist für mich der Westen? Auch in den 14 kurzen Texten von Ulrike
Draesner Karl Bruckmaier Shila Behjat Peter Unfried Olaf Unverzart (in Bildern) Rasha
Corti Jürgen Dollase Irmhild Saake Wolfgang Schmidbauer Karsten Fischer Georg von Wallwitz
Andrea Römmele Thomas K. Henning und Malek Mansour kommt die Ambivalenz des Westlichen zum
Ausdruck vor allem aber die pluralen Perspektiven auf das Thema.