Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den (nord-)italienischen Städten Ende des 14.
Jahrhunderts entwickelte sich ein urbanes volkssprachlich gebildetes Lesepublikum zu dem
maßgeblich Notare und Kaufleute gehörten. Von ihrer Literatur erwarteten sie voltenreiche
Handlungen und brisante Stoffe wie man sie beispielsweise aus Boccaccios 'Decameron' kennt.
Auch Legenden mussten darauf reagieren.Moritz Rauchhaus untersucht solche Veränderungen
hagiographischen Schreibens in Band 1 dieser Ausgabe anhand der spätmittelalterlichen
Kompilation Florenz Bibl. Ricc. 1661 die in Form von Band 2 nunmehr erstmals vollständig
ediert und übersetzt vorliegt. Die Handschrift die dem Notar Filippo Vari gehörte zeigt
Rauchhaus nicht als Zufallsprodukt sondern als zusammenhängenden mariologisch gegliederten
Text der inhaltlich einiges zu bieten hat: Hier werden in der Volkssprache Inzest Mord Scham
und Schande thematisiert - und damit zugleich die vielseitigen Bedingungen und Grenzen von
Heiligkeit.