Das Märchen vom eigensinnigen Kind ist kurz und schrecklich und illustriert mit seltener
Brutalität was mit Kindern geschieht die 'nicht tun was ihre Mütter haben wollen'. Damit ist
es - so die beiden Literaturwissenschaftler_innen Wolfram Ette und Karin Nungeßer - ein sehr
deutsches Märchen. Ausgehend vom Grimm'schen Text erkunden sie was Eigensinn ist und welche
Konsequenzen seine Unterdrückung hat. Dabei geht es auch um die Frage historischer
Kontinuitäten und transgenerationaler Weitergaben. Welche Spuren zeitigen der
Nationalsozialismus und die Erziehungsratgeber von Johanna Haarer bis heute? Hat die Neue
Rechte etwas mit unterdrücktem Eigensinn zu tun? Welche Fantasien treiben sie an? Welche Rolle
spielt die Angst in der Attraktionskraft dieser und anderer sozialer Bewegungen und welche
Rolle der Mangel? Lassen sich die destruktiven gesellschaftlichen Dynamiken des zugeschriebenen
und unterdrückten des ausgemerzten und verdrängten des entstellten ignorierten parodierten
ungelebten nicht totzukriegenden Eigensinns durchbrechen - und wenn ja wie?