Ist die Rede von Afghanistan denkt man wohl unweigerlich zunächst an Terror in Endlosschleife
an Taliban Al-Qaida und diverse Warlords an Opium Burkas Bürgerkrieg eventuell auch das
berüchtigte Great Game zwischen Briten und Russen den Einmarsch der Sowjets jedenfalls
chronischen Aufruhr Armut und Leid. So bilden seine besonders unheilvolle jüngere Geschichte
die Interventionen imperialistischer Mächte von außen und die dadurch befeuerten internen
Feindseligkeiten zwangsläufig ein Leitmotiv dieser Anthologie. Historische Feldpostbriefe und
Lageberichte von Militärs aus dem 19. Jahrhundert und aktuelle Reportagen legen davon
gleichermaßen trauriges Zeugnis ab.Doch dieses sagenhafte wenngleich als Nation noch recht
junge Land ist natürlich weit mehr als nur eine Dauerkrisenzone. Die Fülle seiner Facetten vor
allem auch die einnehmenden lebensbejahenden zu vermitteln ist erklärtes Ziel dieses Bandes.
So begleiten wir lesend europäische - aber auch frühe arabische und fernöstliche - Forschungs-
und Abenteuerreisende Diplomaten und Pilger auf ihren Wegen durch grandiose
Gebirgslandschaften. Dabei schlagen wir an legendären Orten wie Balkh und Bamian Kabul Kunduz
Kandahar auf dem Khyber-Pass in Herat Ghasni und Masar-e Scharif unsere Zelte auf. Aber auch
in entlegene Gegenden Belutschistan etwa Kafiristan das Pandschir-Tal oder den
Wakhan-Korridor führt die Lektüreroute. Unterwegs begegnen wir Bauern und Nomaden besichtigen
Moscheen Mausoleen Basare Burgruinen und das Nationalmuseum. Wir schauen Archäologen beim
Graben über die Schulter lernen über das Wesen der Loya Jirga die Herkunft von Paschtunen
Tadschiken und der - oft arg bedrängten - Minderheit der Hazara. An den Liebesversen sufischer
Mystiker wärmen wir die Seele. Und es wäre nicht Afghanistan kämen wir nicht in den Genuss
überbordender Gastfreundschaft - bei Hochzeiten zum Beispiel einem Festmahl zu Ramadan samt
Audienz beim Emir und dem traditionellen Reiterspiel Buzkaschi.Breiten Raum nehmen wie könnte
es anders sein einheimische literarische Stimmen ein. Sie eröffnen authentische Einblicke in
afghanische Alltagswelten einst und heute. Besonders eindrücklich und aufwühlend: jene von
Gegenwartsautorinnen verfassten Texte die von der seit der neuerlichen Machtübernahme durch
die Taliban im Sommer 2021 wieder besonders desolaten Situation der Frauen erzählen.