Wo sind die Grenzen des Ich? Bin ich wir? Gibt es ein Ich ohne die anderen? In Krisenzeiten
wird dieses zumindest übermächtig. In ihrem neuen Lyrikband erkundet Kirstin Breitenfellner das
»ich« und knüpft thematisch und inhaltlich an ihren Band Gemütsstörungen (2019) an - in dem ein
»du« im Zentrum steht. Auch in Gedichte ohne ich wählt die Autorin wieder die feste Form des
klassischen Sonetts. In den Kapiteln ermächtigung vergewisserungen kompositionen adoptionen
oder gefühle nicht für sich begeben sich die Texte auf die (vergebliche) Suche nach einem
festen inneren Kern.Breitenfellner untersucht aber auch die konkrete Umgebung in denen das
»ich« zu Hause ist: seine tagesträume einkleidungen und wohnräume. Das »ich« »giert nach
leben nach sich selbst es setzt sich auf die spur« ist nicht starr sondern flüssig. Und im
Tod wird es aufhören zu sein. Damit beschäftigt sich der letzte Abschnitt unter dem Titel
dekomposition: »mich gibt es nicht ich werde erde« lautet sein Schluss - und das
»ich« ist darüber nicht verzweifelt sondern vielmehr damit einverstanden.