Post-Medium Condition Verzeitlichung Autopoiesis Ecological Art. In den seit den
1990er-Jahren entstehenden Minusaquarellen kulminiert das bildhauerische Denken Wilhelm
Scheruebls. Obwohl er mit dem Begriff des Aquarells auf eine malerische Praxis anspielt und man
so auch in die Falle einer gestisch-abstrakten Malerei tappen kann bleibt die Wahl des Mediums
irrelevant. Es geht nicht um einen psychischen Automatismus sondern genau um dessen Antithese.
Gegen die Ich-Behauptung informeller Abstraktion steht hier der fast völlige Rückzug des
Künstler-Ichs zugunsten des reinen Naturprozesses. Minusaquarelle verlassen die Kategorien
künstlerischer Praxen und verschieben sie in ökologische Formbildungsprozesse die immer
Balancen sind und zwischen Chaos und Ordnung schweben. Scheruebl lässt bei den Minusaquarellen
mit Wasser und Pigment bemalte Blätter bei Minusgraden in der freien Natur gefrieren. Im
folgenden Trocknungsprozess festigen sich die so entstandenen kristallinen Ordnungen zu
floralen Erscheinungen. Der Kristallisationsprozess folgt hier einer inneren formalen Logik
wie wir sie auch von Schneeflocken kennen. Für den Künstler der als Initiator auftritt bleibt
das Ergebnis offen denn die Kristallisation ist ungleichmäßig und bleibt mehrdeutig. Diese
eine Möglichkeit unter vielen zeigt auch den spielerischen Zugang Scheruebls zur Kunst die für
ihn nichts anderes ist als der Versuch Klarheit in einer natürlichen wie mediatisierten Welt
zu schaffen mit dem Verständnis von Natur als primäre Wirklichkeit unter vielen anderen.
(Günther Moschig) Post-medium condition temporalisation autopoiesis Ecological Art. Wilhelm
Scheruebl's sculptural thinking culminates in the minus watercolours created since the 1990s.
When with the term watercolour he alludes to a practice in painting and we mistakenly think
of gestural abstract painting the choice of medium is irrelevant. It is not a question here of
psychological automatism but of precisely the contrary. As opposed to the self-assertion of
art informel here we have the almost complete withdrawal of the artist's ego in favour of the
pure natural process. Minus watercolours abandon the categories of artistic praxis shifting
them into ecological formation processes which are always balanced between chaos and order. In
these works Scheruebl paints the paper with water and pigments and allows them to freeze in
the open air. In the ensuing drying process the resultant crystalline arrangements combine to
form floral impressions. The process of crystallisation follows an internal formal logic
familiar from snowflakes. For the artist whose function here is that of initiator the result
is unpredictable since the crystallisation is uneven and remains ambiguous. This infinite
range of possible outcomes demonstrates Scheruebl's fanciful approach to art which he sees as
nothing other than the attempt to clarify a natural if mediatised world where nature is
understood as the primary reality among the many others. (Günther Moschig)