Der erste Teil des vorliegenden 72. Bandes des Jahrbuchs des Österreichischen Volksliedwerkes
bietet eine Nachlese zur Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerkes 2022 die unter
dem Motto Volkskultur als Dialog: Ökonomien und Lebensformen von Musikanten und Musikantinnen
von 24. bis 27. August 2022 in Gmunden stattfand. Sowohl Anita Mayer-Hirzberger als auch Konrad
Köstlin legen in den Eröffnungsvorträgen der Sommerakademie einen Fokus auf das 19. Jahrhundert
in dem das identitätsstiftende Narrativ vom Volkslied bzw. von volksmusikalischen Musikformen
als Quelle von nationaler Kunstmusik entstand. Während Mayer-Hirzberger in diesem Zusammenhang
den Beginn der europäischen Musikgeschichtsschreibung und die damit verbundene
eurozentristische Sichtweise thematisiert geht Köstlin auf Lebensrealitäten von Musikanten und
Musikantinnen ein. Der Beitrag von Katharina Pecher-Havers bietet Einblick in Selbstkonzepte
von Zitherspielern in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die um künstlerische Anerkennung
finanzielles Auskommen und Status rangen. Merle Greiser beschäftigt sich anschließend mit
Projektionen und Vorstellungen vom Anderen Fremden und Exotischen in der städtischen
Tourismusindustrie um 1900. Die ehrenamtliche Vereinsarbeit im Burgenland-Kroatischen Verein
Kolo Slavuj und die Volksgruppenförderung in Wien problematisiert Lydia Novak in ihrem Beitrag.
Yannick Wey beschreibt den Einfluss von Industrialisierung und Mobilität auf volksmusikalische
Traditionen in Appenzell Ausserrhoden mithilfe von Forschungsskizzen der Forscherin Margaret
Engeler. Die Rubrik zur Sommerakademie beschließt Sandra Hupfaufs Aufsatz über die
NS-Organisation Kraft durch Freude als Volksmusikveranstalter bei organisierten K. d. F.-Reisen
nach Tirol sowie in der Truppenbetreuung. Der zweite Teil des Jahrbuchs bietet einen Beitrag
zum Projekt Die Rolle der Volksliedwerke in Österreich das die Aufarbeitung der
Institutionsgeschichte der Volksliedwerke und deren Protagonisten zum Ziel hat. In diesem Jahr
dokumentiert Annemarie Bösch-Niederer die Geschichte der Volksmusikforschung in Vorarlberg mit
einem Schwerpunkt darauf forschungsgeschichtliche Lücken in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts zu schließen. Sie endet mit Kurzbiographien zu den wichtigsten Protagonisten. Im
ersten Beitrag aus Forschung und Praxis bewegt sich Stefan Hackl auf den Spuren der Tiroler
Nationalsänger und nimmt deren verwendete Gitarren in den Blick. Volker Derschmidt stellt
anschließend Überlegungen zum Nachschlag im Wiener Walzer an. 2022 fanden in Wien gleich zwei
Symposien zur Volksmusikforschung statt über die Ulrich Morgenstern berichtet. In einem
Nachruf würdigt Michael Weese das Leben Erhard Buseks: 2022 ist der zwischen 1999 und 2003
amtierende Präsident des Österreichischen Volksliedwerkes von uns gegangen. Die Berichte der
Volksliedwerke in den Bundesländern und forschungsverwandter Institutionen dokumentieren deren
vielfältige Tätigkeiten Projekte und Aufgaben in Vermittlung Archivarbeit und
Publikationswesen. Der abschließende Rezensionsteil bietet Einblick in interessante
Neuerscheinungen aus dem Bereich Volksmusik- und Brauchforschung sowie Musikalia und Tonträger.
(Erna Ströbitzer zum Inhalt)