Aus dem Buch: ...Frühling am Rand des bayrischen Hochgebirgs! In keinem der deutschen Gaue
erscheint der Frühling in solcher überschwenglichen Pracht wie in den oberbayrischen Voralpen.
Die Buchenwälder gleichen Hügeln von knospendem Gold die Wiesen sind rote und gelbe blaue und
violette Gefilde eine buntblütige Flur. Die grauen steinbelasteten Schindeldächer der
Bauernhöfe die spitzen oder zwiebelförmigen Dächer der Gotteshäuser umschimmert die schneeige
Fülle der Obstbäume. Die Ufer der Bäche säumen Primeln und Vergißmeinnicht. Mit Primeln und
Vergißmeinnicht sind die vielen Christusbilder am Wege bekränzt. Die lieblichen Blumen
überwuchern die grausame Dornenkrone auf dem Haupt des sterbenden Heilands. Zu Füßen aber des
blutrot angestrichenen Kreuzes steht die Mutter und aus ihrem von Schwertern durchbohrten
Herzen erblüht der Lenz. Wenn dann von Kirche zu Kirche von Kapelle zu Kapelle die
Glockenklänge über das grünende blühende Land schallen so ist es als riefe dievom Wintertode
erstehende Erde ihr Hosianna gen Himmel. Dann flöten die Amseln jubilieren die Lerchen und
die Welt ist so heilig schön als gäbe es auf ihr keine Schuld kein Unglück keinen Jammer
als gäbe es in der vom Todesschlaf erwachten Natur darin alles lebt und webt überhaupt keine
Menschenqual. Am allerwenigsten Vergehen und Sterben ... Richard Voß (1851-1918) war ein
deutscher Schriftsteller.