Schließt man die Augen dann beginnt der Raum zwischen ihnen zu pulsieren: Der Chor aus siebzig
Menschen zusammen und doch getrennt voneinander stehend und zwischen ihnen Martin Kohlstedt
in einer Kanzel aus Tasteninstrumenten. In sich selbst ruhend tun sie nur das was wir alle als
kleinsten gemeinsame Nenner teilen bevor wir unser Menschsein verlieren: Atmen.Martin
Kohlstedts Flügel schlängelt sich in Melodien zwischen ihnen wie ein Lichtstrahl der von einem
schillernden Gewölbe unzählige Male gebrochen zurückgeworfen wird. Mit jedem Takt wird die
Struktur weiter ausgeleuchtet das komplexe Zusammenspiel überdeutlich und doch ungreifbar.
Dieser Raum scheint eine unendliche Architektur zu haben. Unter dem Druck von synthetischen
Klängen und Noise-Elementen wandeln sich rhythmische Pfeiler zu klaren Melodien
breitgefächerte Silben brechen zu verrauschten Vokalen zusammen. Alles ist im Wandel und
voneinander abhängig. Und niemand sagt ein Wort. Ströme ist das neueste Destillat einer
Momentaufnahme aus dem Hause Kohlstedt und das Ergebnis einer lebendigen Zusammenarbeit
zwischen der streitbaren Intuition des Komponisten und Pianisten mit einem menschlichen
Kollektiv dem GewandhausChor zu Leipzig. Martin Kohlstedts modulare Kompositionen - die keine
Werke kennen sondern nur miteinander interagierende musikalische Ideen - erleben auf diesem
Album erneut unerschlossenes Terrain. Kohlstedt resoniert mit dem Chor und vor allem seinem
Leiter Gregor Meyer spielt emotionale Impulse zwischen ihnen aus und bewegt die Körper
indirekt.