Lionel ein Zugführer aus einer Pariser Vorstadt hat sich sein Leben lang aufopfernd um seine
Tochter gekümmert. Er weiß dass Joséphine nun alt genug ist um auf eigenen Füßen zu stehen
doch er will sie nicht verlieren und auch Joséphine scheint noch nicht bereit ihr geborgenes
Zuhause zu verlassen. Zu ihren Nachbarn gehören die Taxifahrerin Gabrielle deren zaghafte
Bemühungen sich mit Vater und Tochter anzufreunden auf wenig Gegenliebe stoßen und Noé der
seine Wohnung in exakt dem Zustand belassen hat wie sie ihm seine verstorbenen Eltern vererbt
haben. Claire Denis erzählt uns von alltäglichen Dingen – Lionels Kollege René geht in den
Ruhestand Noés Katze stirbt. Es sind vielmehr die leisen Zwischentöne die uns sagen dass es
für all diese Menschen Zeit ist loszulassen: Lionel muss sich von seiner Tochter lösen
Joséphine das warme Nest verlassen und Noé seine Vergangenheit abschütteln. René der immer nur
für seine Arbeit gelebt hat wagt vielleicht den drastischsten Schritt. Was diesen Film so
besonders macht ist die Tatsache dass Denis gänzlich auf Stereotypen verzichtet. Ihr Pariser
Vorort ist keine der üblichen Immigranten-Enklaven in denen Kriminalität Rassismus Armut
Arbeitslosigkeit und Drogen das Bild bestimmen. Die Menschen hier führen ein ganz normales
Leben die Aufzüge in den grauen Betonbauten funktionieren die Treppenhäuser sind sauber und
die Wohnungen gepflegt. Es ist vielleicht das erste Mal in der Filmgeschichte dass diese
trostlose Umgebung nicht nur als bewohnbar dargestellt wird sondern auch als ein Ort an dem
es menschliche Wärme und soziale Bindungen gibt. Mit Alex Decas Mati Diop und insbesondere
Nicole Dogué in ihrer wunderbaren Rolle einer Frau die weiß dass sie sich nicht zwischen
Vater und Tochter drängen kann ist 35 RUM durchweg brillant besetzt.