Im Kontext der Erforschung erinnerungskultureller Familienromane stellt die Schweizer
Literatur oftmals einen blinden Fleck dar. Trotz der besonderen Situation der Schweiz in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden allerdings auch in Schweizer Familienromanen
etablierte Geschichtsbilder kritisch hinterfragt. Anhand ausgewählter Beispiele von Christoph
Geiser Thomas Hürlimann und Urs Widmer wird gezeigt welche Themen in Bezug auf die Rolle der
Schweiz während des Zweiten Weltkriegs behandelt wie sie beschrieben und bewertet werden. Die
untersuchten Familienromane sind zwischen den 1980er- und den 2010er-Jahren erschienen einer
Periode in der sich das offizielle Geschichtsbild der Schweiz vom heroischen
Widerstandsnarrativ löste und sich das Interesse komplexeren Erzählungen der Vergangenheit
zuwandte. In der für das Genre typischen Verbindung von privater Familien- und öffentlicher
Zeitgeschichte werden sowohl Konflikte als auch Zugehörigkeitsgefühle zwischen den fiktiven
Familienmitgliedern sichtbar gemacht. Dabei werden der Zweite Weltkrieg und der Holocaust immer
wieder zum Bezugspunkt für generationenübergreifende Fragestellungen hinsichtlich der Herkunft
der Identität und der Bedeutung der Erinnerung für die Zukunft. Wichtige behandelte
Themenkomplexe sind dabei beispielsweise der latente Antisemitismus in der Schweiz sowie das
Privat- und Alltagsleben der schweizerischen Bevölkerung zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.