Die Verfolgung der Jenischen die bis ins 20. Jahrhundert andauerte ist in der Schweiz
mittlerweile als 'Verbrechen gegen die Menschlichkeit' anerkannt. Carla Hagen beleuchtet die
damit verbundenen Diskriminierungspraktiken aus religionswissenschaftlicher
zeitgeschichtlicher und rassismuskritischer Perspektive. Sie untersucht die Rolle katholischer
Institutionen insbesondere des Seraphischen Liebeswerks das eine der bedeutendsten
Einrichtungen der katholischen Kinderfürsorge im frühen 20. Jahrhundert war. Archivmaterial
zeigt dass die Wahrnehmung der Jenischen als eine 'besondere Menschengattung' in
antiziganistischen Traditionslinien verwurzelt ist. Das durch die Verfolgungspraktiken
ausgelöste kollektive Trauma prägt das Leben von Jenischen bis heute. Die Auswirkungen auf ihre
Weltsichten werden anhand von biografischen Interviews ergründet. Das Konzept der Weltsichten
hilft dabei unterschiedliche Erinnerungsmuster Narrative über das Jenischsein und die
Religion sowie Strategien zur Bewältigung von Kontingenz zu rekonstruieren und Jenische
Weltsichten in ihrer Verflechtung darzustellen. So wird ein neuer Blick auf dieses
Religionsbezogene Identitätsbildung im Kontext von katholischer Fürsorge und Antiziganismus in
der Schweiz tragische Kapitel der Schweizer Geschichte ermöglicht.