Das Buch von Regina Dieterle wirft neues Licht auf eine der berühmtesten Skandalgeschichten des
ausgehenden 19. Jahrhunderts: die Liebes-Affäre zwischen Lydia Welti-Escher und dem Maler Karl
Stauffer-Bern in den Jahren 1888 90. Die Abläufe der Affäre sind bekannt. Lydia Escher einzige
Tochter des Eisenbahnkönigs und Bankengründers Alfred Escher lebte in erkalteter Ehe mit
Friedrich Welti dem Sohn des Bundesrates Emil Welti als sie - unter anderem durch Vermittlung
von Gottfried Keller - den Maler Karl Stauffer-Bern kennenlernte. Stauffer damals ein
begehrter Porträtist schuf in jenen Jahren seine grossen Bildnisse von Keller C. F. Meyer und
wurde auch von der Familie Welti- Escher für Porträts engagiert. Dabei kam es zu einer
Liebesgeschichte zwischen ihm und Lydia einer tollkühnen Übersiedlung nach Florenz und Rom
samt dortiger Verhaftung und psychiatrischer Internierung (letzteres amtsmissbräuchlich durch
Bundesrat Welti veranlasst). Lydia und Stauffer wurden am Ende zwar befreit und konnten in die
Schweiz zurückkehren begingen jedoch anschliessend beide im Abstand weniger Monate Selbstmord.
Was bislang weniger bekannt ist deckt Regina Dieterle auf: Dass sehr früh die Literarisierung
des skandalösen Geschehens einsetzte - und zwar überraschenderweise durch Theodor Fontane für
den der 'Stoff' eine wesentliche Anregung zu seinem Roman Effi Briest wurde. Ebenso wenig ist
bekannt wie umsichtig und engagiert Lydia Escher in ihren letzten Lebensmonaten die Gründung
einer grossen Schweizer Kunststiftung vorantrieb. Nachdem sie das Kapital eingebracht hatte
wurde ihr die Leitung jedoch von einigen Herren aus den Hand genommen - denen die grosszügige
Stifterin zu sehr emancipirt erschien. Als Vorwand dazu diente dass nach damaligem Recht eine
Frau nicht befugt war eine Stiftung zu leiten. Auch für deren Name stand schliesslich gegen
ihre Absicht ein Mann Pate: Gottfried Keller.