Unter dem Titel Ars corrigendi diskutierten F. Robortello (1557) W. Canter (1571) und K.
Schoppe (1597) wie man aus dem überlieferten Textmaterial verlässliche Textfassungen gewinnen
konnte - Editionen antiker Texte bildeten ja die Voraussetzung für die Aneignung der antiken
Wissensbestände im Renaissancehumanismus. Die antiken Schriften in den Manuskripten hatten auf
ihrem langen Überlieferungsweg im Mittelalter viele Verschreiber und redaktionelle
Umarbeitungen erfahren und mussten nun in mühseliger Kleinarbeit verbessert werden. Diese
Philologie stand im Kontext der Lebenswege von gelehrten Philologenpersönlichkeiten und war von
den Bedingungen von Buchdruck und universitärem Lehrbetrieb bestimmt - was sich in
Instrumentalisierungen wie der Anbindung an antike philologische Traditionen als Legitimierung
oder die Unterlegung mit einer aktuellen Polemik manifestiert. Diese Studien bieten eine
Rekonstruktion der Textkritik und der dort verhandelten historischen paläographischen und
methodologischen Wissensbestände. Sie weisen formale Parallelitäten mit anderen philologischen
Genera wie dem Kommentar oder der variae lectiones-Literatur nach. Die Ausbildung der Ars
corrigendi wird als Ausdruck eines neuen Selbstverständnisses der Philologie gedeutet - eine
professionalisierte Form des Textumgangs die in eigenen Methodenschriften reflektiert wird.